Kafarnaum
Kafarnaum, auch Kapernaum und Kapharnaum, war ein Fischerdorf in Galiläa im Norden Israels, am Nordufer des Sees Genezareth, etwa 2,5 Kilometer östlich von Tabgha und 15 Kilometer nordöstlich von Tiberias an der Via Maris gelegen. Das biblische Dorf wurde im 19. Jahrhundert mit der Ruinenstätte mit dem arabischen Namen Talhum, auch Tel Hum, Tell Hum und Tel Chum, identifiziert.
Neutestamentarische Berichte, Ort Jesus Wirken
Kafarnaum war ein Grenzort und möglicherweise war zu den Zeiten
des Herodes Antipas dort eine Söldnertruppe stationiert. In
Kafarnaum, am Nordwestufer des Sees Gennesaret gelegen und von
der Jordanmündung 3 bis 4 Kilometer entfernt, herrschte um die
Zeitwende ein reger Handelsverkehr. Es lag an der Küstenstrasse
von Syrien (Damaskus) an das Mittelmeer und darüber hinaus nach
Ägypten. Kafarnaum lag an einer Nebenstrasse der Via Maris, die
nördlich von Gennesar (Tell el-Oreme) abzweigte um dann ufernah
an Kafarnaum vorbei in Richtung zu Bethsaida und von dort nach
Damaskus im Nordosten verlaufend ihren Weg zu nehmen.
Nach dem Tode des Königs Herodes im Jahre 4. v. Chr. wächst die
Bedeutung der Stadt als Grenzort zwischen dem durch Herodes
Antipas regiertem Galiläa und dem von Herodes Philippos
verwalteten Gebieten im östlichen Jordantal.
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Jesus von Nazareth, Jeschua bzw. Jehoschua war in einem jüdischen, (ruralem) kulturellen Umfeld vor allem in Galiläa eingebunden, einem Umfeld, das der sozialen Unterschicht entsprach; er war Jude lebte und starb als solcher unter der römischen Besatzungsmacht, wahrscheinlich nach Strobel (1960) am 15. Nisan (7. April) 30 n. Chr. Jesus und seine Anhänger repräsentierten eine Richtung der „innerjüdischen Erneuerungsbewegungen“ (Theißen (1977)), die besonders in Galiläa (aramäisch gālīlā) wirkte. Jeschua und seine Jünger und Jüngerinnen entstammten aus einer traditionell illiteralen Kultur, in welcher Worte und Taten einzelner Menschen sowie auch wichtige Ereignisse mündlich weitergegeben wurden.
Die galiläische Landbevölkerung zur Zeit Jesu von Nazareth lebte
in sehr einfachen Verhältnissen. Für „Rabbi“ Jehoschua, den
Wanderprediger und seinen Anhängern standen weniger die
insgesamt 613 Gebote und Verbote der Tora, Mizwot, also
kultische Reinheit oder der Tempelkult im Mittelpunkt sondern
für ihn stand die unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft,
oder das Hineinwirken der Gottesherrschaft in die Gegenwart im
Vordergrund. Nicht im Sinne einer „politischen Herrschaft“,
sondern als Einflussbereich göttlichen Wirkens in den
Beziehungen der Menschen untereinander und letztlich zu Gott.
Das Reich Gottes bedeutet eine Umgestaltung und Verwandlung der
(sozialen) Welt, sodass Gerechtigkeit, Friede, Freiheit und
Liebe herrschten. Das war das Zentrum seines Wirkens, die
Verkündigung der Heilsbotschaft von der Königsherrschaft Gottes.
Kafarnaum spielt in den Evangelien als Wohn- und Wirkungsort
Jesu eine wichtige Rolle:
„Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen
hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um
in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon
und Naftali.“
– Matthäus 4, 12–13
Erwähnt wird in Mt 8,5–13 EU ein in Kafarnaum stationierter
Centurio, der von Jesus die Heilung seines Knechts erbat. Auch
die Heilung der Schwiegermutter des Simon Petrus soll dort zu
verorten sein. Erwähnung findet die Geschichte in Mk 1,29–31 EU,
Lk 4,38–39 EU und Mt 8,14–15 EU.
Dem Fischerdorf Kafarnaum sollen mehrere der Jünger Jesu
entstammt sein: die Brüderpaare Simon Petrus und Andreas sowie
Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, außerdem der
Zöllner Levi, genannt Matthäus.
Laut Mk 1,11–28 EU lehrte Jesus zu Beginn seines Wirkens in der
Synagoge von Kafarnaum, wo er – so lassen die folgenden Verse
schließen – zeitweise im Haus des Petrus gewohnt haben soll.
Nach der Brotvermehrung, die man später im Gebiet von Tabgha
vermutete, lehrte Jesus nach Joh 6,22–59 EU in der Synagoge von
Kafarnaum die Menschen über das „Himmelsbrot“.
Geschichte
Nach archäologischen
Erkenntnissen war der Ort Kafarnaum wahrscheinlich seit dem
2. Jahrhundert v. Chr. besiedelt.
Flavius Josephus berichtet in seiner Vita, dass er, nachdem er
im Kampf gegen Syllas, den Feldherrn des Königs Agrippa II. bei
Bethsaida-Julias, an der Hand verwundet wurde, in ein Dorf
namens „Κεφαρνωκόν Kepharnikón“ gebracht worden sei.
In einer Geschichte des Midrasch Kohelet Rabba wird Kfar Nahum
als ein Ort genannt, an dem Minim („Sektenanhänger“) leben, was
sich auf eine Gruppe von Judenchristen beziehen könnte.
Für das vierte Jahrhundert macht Bischof Epiphanius von Salamis
in seinem Buch Panarion eine interessante Feststellung. Demnach
sei es in den Städten Tiberias, Sepphoris, Nazareth und
Kafarnaum unmöglich gewesen Kirchen zu errichten, da die Juden
streng darauf achteten, „dass sich unter ihnen niemand
niederließe, der einer anderen Volksgruppe zugehörte.“
Kafarnaum wurde 746 durch ein Erdbeben zerstört und nahe beim
ursprünglichen Standort wiederaufgebaut. Etwa im 11. Jahrhundert
muss das Dorf aufgegeben worden sein; der Grund dafür ist
unbekannt.
Während seiner ersten Palästinareise im Jahr 1838 entdeckte der
amerikanische Forscher Edward Robinson die Überreste der antiken
Synagoge Kafarnaums, brachte diesen Fund aber nicht mit
Kafarnaum in Zusammenhang. Erst im Jahre 1866 identifizierte der
britische Ingenieur Charles Wilson Tal-Hum mit dem antiken
Kafarnaum. 1894 erwarb die Kustodie des Heiligen Landes der
Franziskaner (OFM) einen Teil des Geländes; hier wurden im 20.
Jahrhundert mehrmals Ausgrabungen vorgenommen. Ein anderer Teil
gehört der griechisch-orthodoxen Apostelkirche, auch hier wurden
Ausgrabungen durchgeführt.
Archäologische Funde und heutige Bauten
Im Bereich, der von den
Franziskanern betreut wird, wurde ein byzantinischer Kirchenbau
aus dem 5. Jahrhundert ausgegraben. Der zentrale achteckige
Raum, der von einem ebenfalls achteckigen Wandelgang umgeben
war, war über den Resten einfacher Wohngebäude aus dem
1. Jahrhundert erbaut worden. Eines der Wohnhäuser gilt als Haus
des Simon Petrus, das als Hauskirche benutzt wurde. Der einzige
klare Hinweis darauf sind allerdings Kalkinschriften, die Jesus
mit Hoheitstiteln sowie Petrus nennen und Spuren kultischer
Zusammenkünfte zeigen. Sie stammen frühestens aus dem
3. Jahrhundert. Außerdem beschreibt die Pilgerin Egeria diese
Kirche sowie die Petrusverehrung Ende des 4. Jahrhunderts. Den
achteckigen Bau erwähnt der Pilger von Piacenza im
6. Jahrhundert. Das Gebäude wurde Anfang des 7. Jahrhunderts,
wahrscheinlich beim Einfall der Perser, zerstört. Über den
Ausgrabungen wurde ab 1980 die auf Stelzen stehende moderne
Petruskirche errichtet, die die Funde schützen soll.
Ebenfalls auf dem Gelände der Franziskaner wurde von Gaudenzio
Orfali die Synagoge von Kafarnaum ausgegraben; es kann sich
allerdings nicht um die in den Evangelien erwähnte Synagoge
handeln, da der Bau ins 3. oder 4. Jahrhundert zu datieren ist.
Die Synagoge steht aber vermutlich an der Stelle eines älteren
Vorgängerbaus. Auch die Synagoge wird von Egeria in ihrem
Reisebericht beschrieben. Wie die Kirche wurde auch die Synagoge
Anfang des 7. Jahrhunderts zerstört.
Auf dem angrenzenden Gelände, das im Besitz der griechisch-orthodoxen Kirche ist, wurden bei Ausgrabungen Wohnhäuser und eine Art Kaimauer gefunden.
1931 wurde eine kleine griechisch-orthodoxe Apostelkirche erbaut, die den sieben Aposteln geweiht ist, denen nach Johannes 21 der auferstandene Jesus am See Gennesaret erschienen ist.
Zum Jahr 2000 wurde östlich der historischen Stätten eine neue Anlage für Pilger und Touristen errichtet, von wo aus auch Bootsfahrten über den See angeboten werden.
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kafarnaum
