Kafarnaum

 

 
Synagoge in Kafarnaum aus dem 3. oder 4. Jahrhundert
 
Synagoge in Kafarnaum aus dem 3. oder 4. Jahrhundert

Kafarnaum, auch Kapernaum und Kapharnaum, war ein Fischerdorf in Galiläa im Norden Israels, am Nordufer des Sees Genezareth, etwa 2,5 Kilometer östlich von Tabgha und 15 Kilometer nordöstlich von Tiberias an der Via Maris gelegen. Das biblische Dorf wurde im 19. Jahrhundert mit der Ruinenstätte mit dem arabischen Namen Talhum, auch Tel Hum, Tell Hum und Tel Chum, identifiziert.

Neutestamentarische Berichte, Ort Jesus Wirken


Kafarnaum war ein Grenzort und möglicherweise war zu den Zeiten des Herodes Antipas dort eine Söldnertruppe stationiert. In Kafarnaum, am Nordwestufer des Sees Gennesaret gelegen und von der Jordanmündung 3 bis 4 Kilometer entfernt, herrschte um die Zeitwende ein reger Handelsverkehr. Es lag an der Küstenstrasse von Syrien (Damaskus) an das Mittelmeer und darüber hinaus nach Ägypten. Kafarnaum lag an einer Nebenstrasse der Via Maris, die nördlich von Gennesar (Tell el-Oreme) abzweigte um dann ufernah an Kafarnaum vorbei in Richtung zu Bethsaida und von dort nach Damaskus im Nordosten verlaufend ihren Weg zu nehmen.
Nach dem Tode des Königs Herodes im Jahre 4. v. Chr. wächst die Bedeutung der Stadt als Grenzort zwischen dem durch Herodes Antipas regiertem Galiläa und dem von Herodes Philippos verwalteten Gebieten im östlichen Jordantal.
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Die Aufteilung von Herodes Königreich, nach seinem Tod 4 v. Chr.:
 
Mutmaßliche Orte des Wirkens Jesus von Nazareth
 
Ausgrabungsstätte Haus des Petrus, in den 1980er Jahren
 
Haus des Petrus, 2008 mit Überbauung durch die Petruskirche

Jesus von Nazareth, Jeschua bzw. Jehoschua war in einem jüdischen, (ruralem) kulturellen Umfeld vor allem in Galiläa eingebunden, einem Umfeld, das der sozialen Unterschicht entsprach; er war Jude lebte und starb als solcher unter der römischen Besatzungsmacht, wahrscheinlich nach Strobel (1960) am 15. Nisan (7. April) 30 n. Chr. Jesus und seine Anhänger repräsentierten eine Richtung der „innerjüdischen Erneuerungsbewegungen“ (Theißen (1977)), die besonders in Galiläa (aramäisch gālīlā) wirkte. Jeschua und seine Jünger und Jüngerinnen entstammten aus einer traditionell illiteralen Kultur, in welcher Worte und Taten einzelner Menschen sowie auch wichtige Ereignisse mündlich weitergegeben wurden.


Die galiläische Landbevölkerung zur Zeit Jesu von Nazareth lebte in sehr einfachen Verhältnissen. Für „Rabbi“ Jehoschua, den Wanderprediger und seinen Anhängern standen weniger die insgesamt 613 Gebote und Verbote der Tora, Mizwot, also kultische Reinheit oder der Tempelkult im Mittelpunkt sondern für ihn stand die unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft, oder das Hineinwirken der Gottesherrschaft in die Gegenwart im Vordergrund. Nicht im Sinne einer „politischen Herrschaft“, sondern als Einflussbereich göttlichen Wirkens in den Beziehungen der Menschen untereinander und letztlich zu Gott. Das Reich Gottes bedeutet eine Umgestaltung und Verwandlung der (sozialen) Welt, sodass Gerechtigkeit, Friede, Freiheit und Liebe herrschten. Das war das Zentrum seines Wirkens, die Verkündigung der Heilsbotschaft von der Königsherrschaft Gottes.


Kafarnaum spielt in den Evangelien als Wohn- und Wirkungsort Jesu eine wichtige Rolle:
„Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali.“
– Matthäus 4, 12–13


Erwähnt wird in Mt 8,5–13 EU ein in Kafarnaum stationierter Centurio, der von Jesus die Heilung seines Knechts erbat. Auch die Heilung der Schwiegermutter des Simon Petrus soll dort zu verorten sein. Erwähnung findet die Geschichte in Mk 1,29–31 EU, Lk 4,38–39 EU und Mt 8,14–15 EU.


Dem Fischerdorf Kafarnaum sollen mehrere der Jünger Jesu entstammt sein: die Brüderpaare Simon Petrus und Andreas sowie Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, außerdem der Zöllner Levi, genannt Matthäus.


Laut Mk 1,11–28 EU lehrte Jesus zu Beginn seines Wirkens in der Synagoge von Kafarnaum, wo er – so lassen die folgenden Verse schließen – zeitweise im Haus des Petrus gewohnt haben soll. Nach der Brotvermehrung, die man später im Gebiet von Tabgha vermutete, lehrte Jesus nach Joh 6,22–59 EU in der Synagoge von Kafarnaum die Menschen über das „Himmelsbrot“.

Geschichte

 
Katholische Kirche über dem Haus des Simon Petrus
 
Inneres der Kirche

Nach archäologischen Erkenntnissen war der Ort Kafarnaum wahrscheinlich seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. besiedelt.
Flavius Josephus berichtet in seiner Vita, dass er, nachdem er im Kampf gegen Syllas, den Feldherrn des Königs Agrippa II. bei Bethsaida-Julias, an der Hand verwundet wurde, in ein Dorf namens „Κεφαρνωκόν Kepharnikón“ gebracht worden sei.
In einer Geschichte des Midrasch Kohelet Rabba wird Kfar Nahum als ein Ort genannt, an dem Minim („Sektenanhänger“) leben, was sich auf eine Gruppe von Judenchristen beziehen könnte.
Für das vierte Jahrhundert macht Bischof Epiphanius von Salamis in seinem Buch Panarion eine interessante Feststellung. Demnach sei es in den Städten Tiberias, Sepphoris, Nazareth und Kafarnaum unmöglich gewesen Kirchen zu errichten, da die Juden streng darauf achteten, „dass sich unter ihnen niemand niederließe, der einer anderen Volksgruppe zugehörte.“
Kafarnaum wurde 746 durch ein Erdbeben zerstört und nahe beim ursprünglichen Standort wiederaufgebaut. Etwa im 11. Jahrhundert muss das Dorf aufgegeben worden sein; der Grund dafür ist unbekannt.
Während seiner ersten Palästinareise im Jahr 1838 entdeckte der amerikanische Forscher Edward Robinson die Überreste der antiken Synagoge Kafarnaums, brachte diesen Fund aber nicht mit Kafarnaum in Zusammenhang. Erst im Jahre 1866 identifizierte der britische Ingenieur Charles Wilson Tal-Hum mit dem antiken Kafarnaum. 1894 erwarb die Kustodie des Heiligen Landes der Franziskaner (OFM) einen Teil des Geländes; hier wurden im 20. Jahrhundert mehrmals Ausgrabungen vorgenommen. Ein anderer Teil gehört der griechisch-orthodoxen Apostelkirche, auch hier wurden Ausgrabungen durchgeführt.

Archäologische Funde und heutige Bauten

 
Haus des Simon Petrus unter der katholischen Kirche

Im Bereich, der von den Franziskanern betreut wird, wurde ein byzantinischer Kirchenbau aus dem 5. Jahrhundert ausgegraben. Der zentrale achteckige Raum, der von einem ebenfalls achteckigen Wandelgang umgeben war, war über den Resten einfacher Wohngebäude aus dem 1. Jahrhundert erbaut worden. Eines der Wohnhäuser gilt als Haus des Simon Petrus, das als Hauskirche benutzt wurde. Der einzige klare Hinweis darauf sind allerdings Kalkinschriften, die Jesus mit Hoheitstiteln sowie Petrus nennen und Spuren kultischer Zusammenkünfte zeigen. Sie stammen frühestens aus dem 3. Jahrhundert. Außerdem beschreibt die Pilgerin Egeria diese Kirche sowie die Petrusverehrung Ende des 4. Jahrhunderts. Den achteckigen Bau erwähnt der Pilger von Piacenza im 6. Jahrhundert. Das Gebäude wurde Anfang des 7. Jahrhunderts, wahrscheinlich beim Einfall der Perser, zerstört. Über den Ausgrabungen wurde ab 1980 die auf Stelzen stehende moderne Petruskirche errichtet, die die Funde schützen soll.
Ebenfalls auf dem Gelände der Franziskaner wurde von Gaudenzio Orfali die Synagoge von Kafarnaum ausgegraben; es kann sich allerdings nicht um die in den Evangelien erwähnte Synagoge handeln, da der Bau ins 3. oder 4. Jahrhundert zu datieren ist. Die Synagoge steht aber vermutlich an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus. Auch die Synagoge wird von Egeria in ihrem Reisebericht beschrieben. Wie die Kirche wurde auch die Synagoge Anfang des 7. Jahrhunderts zerstört.

 
Apostelkirche

Auf dem angrenzenden Gelände, das im Besitz der griechisch-orthodoxen Kirche ist, wurden bei Ausgrabungen Wohnhäuser und eine Art Kaimauer gefunden.

1931 wurde eine kleine griechisch-orthodoxe Apostelkirche erbaut, die den sieben Aposteln geweiht ist, denen nach Johannes 21 der auferstandene Jesus am See Gennesaret erschienen ist.

Zum Jahr 2000 wurde östlich der historischen Stätten eine neue Anlage für Pilger und Touristen errichtet, von wo aus auch Bootsfahrten über den See angeboten werden.

 

 

Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kafarnaum