Westjordanland
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Westjordanland |
Das Westjordanland oder
Westbank, auch Cisjordanien, in Israel offiziell Judäa und
Samaria, ist ein Gebiet in Vorderasien westlich von Jordanien
und östlich von Israel mit einer Fläche von etwa
5800 Quadratkilometern, davon sind rund 220 Quadratkilometer
Wasser. Von den 2012 geschätzt rund 2,4 Millionen Bewohnern des
Gebiets sind 83 Prozent Palästinenser und 17 Prozent Juden, die
in schätzungsweise 355 israelischen Siedlungen und ihren
Außenposten leben.
Das Gebiet ist in der Bibel als Siedlungsgebiet verschiedener
kanaanitischer Völker bekannt, als da wären die Phönizier, die
Philister, die Hebräer und die Samaritaner. Es wurde im Lauf
seiner mehrtausendjährigen Geschichte oft erobert und besetzt;
Teile davon bildeten die biblischen Reiche Assur, Ägypten,
Israel und Juda und später das Kalifat der Abbasiden.
Als Bestandteil des britischen Völkerbundsmandat für Palästina
wurde das Westjordanland von der UN-Vollversammlung im
Teilungsplan von 1947 dem zu gründenden arabischen Staat
zugesprochen. Im Arabisch-Israelischen Krieg von 1948 wurde es
von Jordanien besetzt und 1950 annektiert. Im Sechstagekrieg vom
Juni 1967 wurde es von Israel erobert und steht seither unter
israelischer Militärverwaltung, Ostjerusalem und Umgebung wurden
dagegen von Israel 1980 völkerrechtswidrig annektiert. Seit 1993
werden Teile des Westjordanlands, unter anderem die Städte
Jericho, Nablus, Jenin, Tulkarem, Qalqilya, Ramallah, Bethlehem
und 80 % von Hebron, von der Palästinensischen Autonomiebehörde
(PNA) verwaltet.
Begriffsgeschichte
Der seit Mitte des vorigen
Jahrhunderts weltweit gängigste Name für diesen Teil Palästinas
ist die englische Bezeichnung West Bank, im Deutschen
auch Westjordanland genannt. Diese Bezeichnungen beziehen
sich auf das Land westlich des Flusses Jordan und des Staates (Trans-)Jordanien.
Bank steht dabei für das englische Wort für Ufer,
Böschung.
Die Bezeichnungen West Bank
und East Bank wurden vom jordanischen König Abdallah I.
geprägt, der diese englischen Bezeichnungen ins Arabische
übersetzte, wo sie populär wurden und aus dem sie dann wieder
zurückübersetzt ins Englische gelangten.
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Gebiet des
Völkerbundmandats für Palästina in den Grenzen von
1920 bis 1923 (orange) als ehem. vorgesehene
Heimstätte für das jüdische Volk |
Zur Zeit der britischen
Herrschaft (Völkerbundsmandat für Palästina) waren die
Bezeichnungen Cis-Jordan und Trans-Jordan, auch West- und
Ostpalästina gebräuchlich. Sowohl Winston Churchill als auch der
Politiker Zeev Jabotinsky sprachen von „den beiden Ufern des
Flusses“. Ostpalästina, auch East Bank genannt, wurde von den
Briten vom Mandatsgebiet Palästina abgetrennt und unter dem
Namen Transjordanien ein Emirat, das 1946 als Königreich
Transjordanien seine Unabhängigkeit erlangte. Im ersten
arabisch-israelischen Krieg von 1948 eroberte Transjordanien den
östlichen Teil Jerusalems und weite Teile des als arabischer
Staat im UNO-Teilungsplan vorgesehenen Gebietes Westpalästinas.
Nach der Militärbesatzung und anschließenden Annexion der 1948
eroberten Gebiete Westpalästinas erfolgte 1950 die Umbenennung
des Staates, der sich fortan als haschemitisches Königreich
Jordanien bezeichnet. Heute hat der arabische Staat Jordanien
alle Ansprüche auf sein ehemaliges Besatzungsgebiet endgültig
zurückgegeben. Der Name Cisjordanien, der heute noch in den
romanischen Sprachen gebräuchlich ist, bedeutet übersetzt auf
dieser Seite des Jordanflusses, analog dazu bedeutet
Transjordanien auf der anderen Seite des Jordanflusses.
„Judäa und Samaria“ als Bezeichnung für das ganze Gebiet geht
auf das Neue Testament zurück und wurde auch in umgekehrter
Reihenfolge benutzt. Manchmal wurden und werden auch
Bezeichnungen wie das Hügelland von Samaria oder Judäa
verwendet.
Die ursprünglichen Bezeichnungen Jehuda und Schomron finden sich
schon in der jüdischen Bibel. Jehudah, griechisch und lateinisch
Judäa, ist das Hügelgebiet südlich von Jerusalem, Schomron,
griechisch und lateinisch Samaria, dasjenige nördlich der Stadt
bis südlich von Galiläa. In Israel wird das Gebiet seit den
1970er Jahren in amtlichen Publikationen als Judäa und Samaria (Jehuda
we'Schomron) bezeichnet.
Grenzen
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Sperranlagenverlauf
2011 |
Sperranlage:
überwiegend ein Sicherheitszaun (hier südlich von
Hebron) |
Sperranlage in der
Nähe von jüdischen Siedlungen: an wenigen Stellen
eine stärkere Sicherheitsbefestigung |
Das Westjordanland hat eine
Grenze von 404 Kilometern, davon 307 Kilometer mit Israel und
97 Kilometer mit Jordanien. Gegen Jordanien ist es durch den
Jordan und das Tote Meer abgegrenzt, gegen Israel existiert
keine natürliche Begrenzung. Die oft als Grüne Linie bezeichnete
Waffenstillstandslinie von 1949 verläuft südlich vom See
Genezareth bogenförmig in Richtung Jerusalem, das sie
durchschneidet, und erreicht in einem weiteren Bogen südöstlich
von Hebron das Tote Meer.
In der Resolution 242 im November 1967 wird neben dem Rückzug
der israelischen Streitkräfte aus (den) Gebieten, die während
des jüngsten Konflikts besetzt wurden, das Anrecht eines jeden
Staates in der Region auf „sichere und anerkannte Grenzen frei
von Androhungen oder Akten der Gewalt“ betont.
Für teils heftige Kritik sorgt seit etwa 2003 der von der
israelischen Regierung betriebene Bau der israelischen
Sperranlage, die nur an wenigen Stellen entlang der Grünen Linie
verläuft und sich bei den größeren israelischen Siedlungsblöcken
tief ins Westjordanland einschneidet. Israel begründet die an
wenigen Stellen als Schutzmauer ausgebildete, in weiten Teilen
zaunartige Sperranlage mit dem Schutz des israelischen
Staatsgebietes und israelischer Bürger vor radikalislamischen
arabischen Terroristen und Selbstmordattentätern und bezeichnet
die Anlage als provisorisch.Bei Anschlägen von Palästinensern
auf israelische Autobusse, Nachtclubs und Kaffeehäuser kamen
mehr als tausend Israelis ums Leben. Der Terrorkrieg verlor an
Intensität im Zuge der schleppenden Friedensverhandlungen, aber
auch weil Israel das Westjordanland mit der Sperranlage von
Israel abriegelte, die einen unkontrollierten Grenzübertritt
stark erschwert.
Durch die Sperranlage werden Verkehrswege zerschnitten und
Anwohner vorübergehend enteignet. Deutlich zeigt sich dies im
Gebiet östlich von Jerusalem und bei Qalqiliya, wo der
arabischen Mehrheitsbevölkerung großer arabischer
Ballungszentren der Zugang zum arabischen Kernland erschwert
wird, dies zum Schutz der jüdischen Minderheitsbevölkerung vor
arabischen Terroranschlägen und Selbstmordattentaten. Die
offizielle palästinensische Seite warnt dagegen vor einer
geplanten Annexion. Ein Gutachten im Auftrag des Internationalen
Gerichtshofes in Den Haag kommt zu der Auffassung, die
Abtrennung von Gebieten vom Kernland durch die Sperranlage sei
illegal.
Bevölkerung
Die Bevölkerung des
Westjordanlandes wird je nach Quelle unterschiedlich geschätzt.
Die CIA gibt für das Jahr 2012 eine geschätzte Gesamtbevölkerung
von 2.622.544 an, einschließlich der Bevölkerung Ostjerusalems,
davon etwa 311.100 israelische jüdische Siedler in der Westbank
und rund 187.000 in Ostjerusalem. Geht man von einer Bevölkerung
Ostjerusalems von rund 435.000 aus, davon 245.000 Araber, kann
man von einer Bevölkerung von rund 2.200.000 im restlichen
Westjordanland ausgehen, davon gut 300.000 jüdische Siedler.
Das Westjordanland beherbergt
noch einige Flüchtlingslager palästinensischer Flüchtlinge, die
1947/48 aus dem heutigen Staatsgebiet Israels geflohen waren.
Dieser Bevölkerungsteil geht jedoch zunehmend in der ansässigen
palästinensischen Bevölkerung auf.
Der arabische Bevölkerungsteil
wächst vor allem durch eine hohe Geburtenrate. Die Zahl der
jüdischen Bewohner nimmt ebenfalls zu, hängt jedoch stark von
der politischen Lage und vom Bau neuer Siedlungen ab. 2009 wuchs
die Bevölkerung Israels um 1,8 Prozent. Das Wachstum des
jüdischen Bevölkerungsanteils lag bei 1,6 Prozent. Im selben
Jahr wuchsen die Siedlungen im Westjordanland um 5,6 Prozent.
Davon gehen 40 Prozent auf Einwanderungen aus Israel und dem
Ausland zurück. Für die arabische Bevölkerung gilt die
israelische Militärgerichtsbarkeit, die jüdische Bevölkerung
unterliegt der Zivilgerichtsbarkeit.
Der Anteil von Christen lag
Anfang des 20. Jahrhunderts bei 11 Prozent. Infolge des
Palästinakrieges und des Sechstagekrieges emigrierte ein
Großteil der christlichen Bevölkerung. Im Jahr 2017 lag der
christliche Bevölkerungsanteil im Westjordanland bei 1,7
Prozent.
Jüdische
Siedlungen
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Vom ehemaligen
israelischen Ministerpräsident Ehud Olmert
vorgelegtes Friedensangebot mit Lösung des
Siedlungsproblems durch einen territorialen
Austausch |
Die jüdische Siedlung
Ariel |
Die jüdische Siedlung
Chemdat im Jordantal |
Zwischen 1967 und 1977 wurden
in der Westbank die ersten 30 Siedlungen errichtet. Die erste
Siedlung war Kfar Etzion in der heutigen Kommune Gusch Etzion.
Ende 2010 gab es im Westjordanland (ohne Ostjerusalem) mehr als
200 israelische jüdische Siedlungen und etwa 145
nichtautorisierte, meist kleinere sogenannte „Außenposten“. Dazu
kommen 32 größere und kleinere jüdische Siedlungen in
Ostjerusalem, das 1980 der Stadtgemeinde Jerusalem zugeschlagen
wurde. Die Annexion Ostjerusalems wurde vom Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen in der Resolution 478 verurteilt und für
völkerrechtswidrig erklärt und wird von der Staatengemeinschaft
nicht anerkannt.
Gemäß den Vereinbarungen in der
von palästinensischer Seite abgelehnten Roadmap von 2002/2003
hätten alle israelischen Siedlungsaktivitäten im Westjordanland
eingefroren werden müssen. Nicht nur Russland sieht im
kontinuierlichen Siedlungsbau Israels in den besetzten Gebieten
einen Verstoß gegen die Roadmap, sondern auch die USA fordern
nun den kompletten Siedlungsbaustopp, auch in Ostjerusalem.
Israel hält an seinem Anspruch auf ganz Jerusalem fest und
verteidigt mit dem Begriff eines „natürlichen Wachstums“ die
Neu-Bautätigkeit im Westjordanland und Ostjerusalem.
Seit der Akzeptanz der Roadmap seitens Israel 2002/2003 bis 2009
ist die jüdische Bevölkerung der Siedlungen im Westjordanland
von 211.400 auf über 289.600 Bewohner angewachsen. Das
entspricht einem Wachstum von ca. 37 Prozent in sechs Jahren.
Entgegen der Darstellung der israelischen Regierung, es handle
sich nur um „natürliches Wachstum“, kann man von einer gezielten
Einwanderungspolitik ausgehen. Dies bestätigt auch Shaul Arieli,
ehemaliger israelischer Brigadekommandeur für den Gazastreifen
und ehemaliger Chef der israelischen regierungsamtlichen Peace
Administration, in seiner Analyse.
Der stellvertretende Regierungschef Dan Meridor warf der
US-Regierung von Präsident Barack Obama vor, mit der Forderung
nach einem Siedlungsstopp im Westjordanland bestehende mündliche
und schriftliche Abmachungen mit der Vorgängerregierung von
George W. Bush zu missachten, die Israel einen begrenzten
Siedlungsausbau zugestehen. Dem stehen die unter George W. Bush
in der Roadmap festgehaltenen Vereinbarungen entgegen. Auch der
damalige israelische Premierminister Ehud Olmert gestand 2008
ein, dass der Siedlungsbau im Widerspruch zu den Versprechen
Israels stehe.
Der größte Teil der jüdischen Bevölkerung im Westjordanland
konzentriert sich auf die Umgebung von Jerusalem und Modi’in
Illit auf den westlichen Rand des Westjordanlands.
Bedeutung aus israelisch-militärstrategischer Sicht
Israel dient das Westjordanland
militärstrategisch als Pufferzone gegen mögliche militärische
Heeresangriffe durch Nachbarländer. Auch die Stationierung von
Luftabwehrbatterien auf den höher gelegenen Gebieten soll eine
höhere Sicherheit durch längere Reaktionszeiten ermöglichen. Auf
diese Positionen scheint die militärische Sicherheitsarchitektur
Israels zum jetzigen Zeitpunkt nicht verzichten zu wollen oder
zu können.
Religiöse Bedeutung des Westjordanlands für Juden
Israels Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu vom Likud spricht von der kulturellen und
religiösen Bedeutung des Westjordanlands folgendermaßen: „Die
Beziehung zwischen dem jüdischen Volk und dem Land Israel
existiert seit über 3500 Jahren. Judäa und Samaria sind die
Orte, in denen sich bereits unsere Vorfahren Abraham, Isaak und
Jakob aufhielten, sowie David, Salomo und Jeremia. Sie stellen
kein fremdes Land dar, sondern das Land unserer Vorfahren.“
Wirtschaft
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Ramallah 2010 |
Markt in der Altstadt
von Hebron mit leeren Ständen 2006 |
Landwirtschaft
Die landwirtschaftlichen
Produkte der palästinensischen und israelischen Bauern sind
typisch mediterran. Angebaut werden Avocados, Datteln,
Zitruspflanzen, aber auch Wein und Oliven sowie Schnittblumen,
und am Toten Meer werden Badesalze gewonnen. Daneben wird auch
ein wenig Viehzucht betrieben.
Einfuhrzölle in die EU
Die Europäische
Freihandelsassoziation (EFTA) schloss 1993 mit Israel ein
Abkommen, das den zollfreien Import israelischer Waren in diesen
Ländern ermöglicht. 1995 unterzeichnete die Europäische Union im
Rahmen des Barcelona-Prozesses ein Freihandelsabkommen mit fast
allen Mittelmeerstaaten, darunter auch Israel. Die EU und Israel
legten darin bevorzugte Handelsbedingungen fest, unter anderem
im Zollbereich. Das Abkommen trat im Jahr 2000 in Kraft. Davon
ausgenommen sind nur Produkte, die im Westjordanland angebaut
und hergestellt werden.
Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung vom
25. Februar 2010 (Rs.: C-386/08) festgestellt, dass die in von
Israel besetzten Gebieten hergestellten Waren, hier von
Soda-Club, die in Mishor Adumim im Westjordanland hergestellt
werden, nicht als israelische Produkte gelten und damit nicht
unter die Zollfreiheit der EU fallen.
Kritik
Kritik kommt z. B. von Amnesty
International: Produkte, die in Siedlungen in den besetzten
Gebieten hergestellt und trotzdem als „Made in Israel“
deklariert werden, seien ein Verstoß gegen das Völkerrecht, da
keine völkerrechtliche Anerkennung dieses Gebietes vorliegt.
Kritisiert werden ferner Enteignungen und ungleicher Zugang zu
Ressourcen, etwa Grundwasser.
Palästinensische
Organisationen, denen sich zahlreiche Organisationen und
Einzelpersonen angeschlossen haben, verlangen mit der Kampagne
Boycott, Divestment and Sanctions einen Boykott
israelischer Waren, und nicht nur die der jüdischen Siedler im
Westjordanland.
Verkehr
Der Verkehr findet
ausschließlich auf der Straße statt. Das Westjordanland besitzt
ein Straßennetz von rund 4500 Kilometern, von denen
2700 Kilometer asphaltiert sind. Es existieren vier Typen von
Straßen: Die meist schlecht ausgebauten Straßen, die für alle
Fahrzeuge zugänglich sind, Straßen, die für Fahrzeuge mit
israelischen Kennzeichen frei, für Fahrzeuge mit
palästinensischen Kennzeichen nur mit besonderer Bewilligung
zugänglich sind, Straßen, die Fahrzeugen mit israelischen
Kennzeichen vorbehalten sind, und Straßen, die für israelische
Fahrzeuge gesperrt sind.
Die Benutzung der Straßen wird an Grenzkontrollpunkten
überprüft. Es gibt drei asphaltierte Flugplätze, die jedoch
nicht zivil genutzt werden.
Kritik
Die israelische
Menschenrechtsorganisation B’Tselem kritisiert die israelische
Politik, die es den Palästinensern verbiete, bestimmte Straßen
zu benutzen. Dadurch sei es Palästinensern an einigen Stellen
unmöglich, Dörfer zu erreichen. Zudem sei den Palästinensern an
einigen Stellen auch verboten, Straßen nur zu kreuzen. Dies
führe dazu, dass einige Orte nur zu Fuß erreicht werden könnten.