Von der Ostsee nach Masuren und Schlesien
28. Mai - 23. Juni 2019
Görlitz
Görlitz bildet zusammen mit Bautzen und Hoyerswerda einen oberzentralen
Städteverbund, ist auch Mitglied der Euroregion Neiße und bildet seit 1998
mit Zgorzelec eine Europastadt.
Görlitz blieb im Zweiten Weltkrieg von Zerstörungen fast völlig verschont.
Die historische Altstadt, an deren Häusern alle wesentlichen Phasen der
mitteleuropäischen Baustile (Spätgotik-, Renaissance- und
Barockbürgerhäuser) erkennbar sind, blieb erhalten. Umgeben ist sie von
ausgedehnten Gründerzeitvierteln. Mit über 4000 großteils restaurierten
Kultur- und Baudenkmalen wird Görlitz oft als das flächengrößte
zusammenhängende Denkmalgebiet Deutschlands bezeichnet. Dieses besondere
Stadtbild machte Görlitz zu einem beliebten Filmdrehstandort, weshalb es
auch „Görliwood“ genannt wird.
Geographie
Lage
Görlitz liegt im ehemaligen preußisch-niederschlesischen Teil der
Oberlausitz am westlichen Ufer der Lausitzer Neiße, die dort den Ostrand des
Lausitzer Granitmassivs mit den Ausläufern des böhmisch-lausitzischen
Grenzgebirges durchbricht. Es bildet den Übergang zwischen dem nördlichen
Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet und dem südlichen Lausitzer Bergland.
Die ehemaligen Stadtteile am östlichen Flussufer bilden seit 1945 die
polnische Stadt Zgorzelec. Görlitz und seine Schwesterstadt Zgorzelec
bezeichnen sich gemeinsam als eine Europastadt.
Der Ortsmittelpunkt liegt auf einer Höhe von 201 m ü. NN. Die höchste
Erhebung des Görlitzer Stadtgebiets – die Landeskrone – liegt 420 m ü. NN.
Die niedrigste Stelle der Stadt mit 185 m ü. NN befindet sich an der Neiße.
Der Mittelwert für das Stadtgebiet liegt bei 220 m ü. NN. Der Wasserspiegel
des im Süden der Stadt gelegenen Berzdorfer Sees liegt auf einer Höhe von
185,6 m ü. NN. Der See ist an seiner tiefsten Stelle 72 m tief.
Der Meridian der geographischen Länge 15° östlich von Greenwich, an dem sich
die Zeitzone der Mitteleuropäischen Zeit orientiert, durchquert die Stadt.
Dies hat zur Folge, dass die Mitteleuropäische Zeit mit der mittleren
Sonnenzeit von Görlitz übereinstimmt. Die Stadt liegt auf 51° 09′ nördlicher
Breite. Zu Ehren Juri Gagarins, des ersten Menschen im Weltall, wurde 1961
südwestlich der Stadthalle unmittelbar an der Straßenbrücke nach Polen ein
Meridiandenkmal errichtet. Nach den heutigen Messverfahren ist der Standort
des Steins jedoch nicht mehr exakt. Der 15. Meridian verläuft danach etwa
137 m entfernt an den Neißewiesen unterhalb der Stadthalle.
Das Stadtgebiet erstreckt sich 19,4 km von Nord nach Süd und 7,3 km von Ost
nach West. Die nächsten größeren Städte sind das tschechische Liberec
(Reichenberg) etwa 50 km südlich, Cottbus etwa 80 km nordwestlich, das
schlesische Legnica (Liegnitz) etwa 80 km östlich und Dresden etwa 90 km
westlich von Görlitz. Bis Bautzen sind es etwa 50 km.
Geologie
Während des Tertiärs bildeten sich in abflusslosen Senken Moorwälder.
Überflutungen, das Absterben von Pflanzen und die daraus resultierenden
Ablagerungen führten zur Bildung von Braunkohlebecken wie im ehemaligen
Tagebau Berzdorf. Die Basalt- und Phonolithkuppen wie die Landeskrone sind
vulkanischen Ursprungs.
Der geologische Untergrund im Görlitzer Gebiet besteht im Norden aus
Lausitzer Grauwacke. Sie setzt sich aus Biotit, grauem Quarz und hellem
Feldspat mit Schichten aus feinkörniger Grauwacke und dichten
Grauwackenschiefern zusammen. Den Süden des Stadtgebietes bestimmt
Ostlausitzer Granodiorit. Die Grenze zwischen den verschiedenen
Untergrundarten verläuft ungefähr auf der Linie Ochsenbastei, Neißstraße,
Peterstraße, Heiliges Grab bis über Girbigsdorf hinaus. An der Obermühle
endet die vom harten Granodiorit verursachte Einengung des Neißetals.
Natur
Vier Gebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiet) und ein
Vogelschutzgebiet erstrecken sich teilweise auf dem Stadtgebiet. Das
Vogelschutzgebiet Neißetal und das FFH-Gebiet Neißegebiet überschneiden sich
in weiten Teilen. Sie erstrecken sich von der Obermühle im Norden, durch das
Neißetal, die Neißeauen bis an die südlichen Grenzen der Stadt im Ortsteil
Hagenwerder. Sie beinhalten u. a. das Weinberggelände mit seinen bewaldeten
Talhängen, die Weinlache sowie die Neißewiesen und das Ackerland zwischen
dem Stadtteil Weinhübel und dem Ortsteil Hagenwerder. Im Vogelschutzgebiet
sind 26 Vogelarten nach den Kategorien 1 und 2 der Roten Liste Sachsens
nachgewiesen. Dazu zählen u. a. der Eisvogel, der Flussuferläufer, der
Mittelspecht und der Ortolan. Für diese vier Vogelarten zählt das
Vogelschutzgebiet zu den bedeutendsten Brutgebieten im Freistaat Sachsen. An
die Gebiete grenzt das FFH-Gebiet Pließnitzgebiet in den Ortsteilen
Hagenwerder und Tauchritz. Es umfasst die Flussauen der Pließnitz – eines
Nebenflusses der Lausitzer Neiße.
Die Landeskrone (siehe auch Abschnitt Die Landeskrone) gehört dem FFH-Gebiet
Basalt- und Phonolithkuppen der östlichen Oberlausitz an. Die Stadt ist auch
Teil des FFH-Gebiets Separate Fledermausquartiere und -habitate in der
Lausitz. Hierbei sollen die Wochenstuben, Quartiere und Nahrungshabitate von
Mopsfledermaus und Großem Mausohr sowie zahlreicher weiterer gefährdeter
Fledermausarten geschützt werden.
Mit der Verordnung zur Festsetzung von Naturdenkmalen im Stadtgebiet aus dem
Jahr 1997 sowie den geänderten Verordnungen aus den Jahren 2001 und 2005
wurden durch die Stadt 27 Naturdenkmale benannt.
Gliederung der Stadt
Das Stadtgebiet von Görlitz ist in neun Stadt- und fünf Ortsteile
gegliedert. Die Stadtteile sind historisch gewachsen, entstanden durch
Ansiedlung der Vertriebenen nach 1945 oder wurden als vorher selbstständige
Gemeinden oder Gemarkungen bis 1952 eingegliedert. Die fünf Ortsteile wurden
bei der jüngsten Gemeindereform in den 1990er Jahren der Stadt zugeschlagen
und liegen räumlich vom Kernstadtgebiet entfernt.
Umland
Das Görlitzer Umland ist vor allem ländlich geprägt, die nächsten größeren
Städte sind im Norden Weißwasser, im Westen Bautzen und Löbau, im Süden
Zittau sowie im Osten Lubań (Lauban) und Bolesławiec (Bunzlau). Von den fünf
Städten ist Löbau mit rund 20 km Entfernung die am nächsten gelegene Stadt.
Die Gemeinden Schöpstal und Neißeaue grenzen nördlich, Markersdorf westlich
an das Stadtgebiet an. Östlich der Neiße befindet sich die polnische Stadt
Zgorzelec (Görlitz). Im Südwesten liegt die Gemeinde Schönau-Berzdorf auf
dem Eigen, im Süden die Landstadt Ostritz mit dem Ortsteil Leuba.
Nordwestlich von Görlitz liegen die Kleinstädte Niesky und Rothenburg, die
aber nicht direkt an das Stadtgebiet grenzen.
Bis auf die Schwesterstadt Zgorzelec gehören alle angrenzenden Gemeinden und
Städte zum Landkreis Görlitz. Auf dem heutigen polnischen Staatsgebiet
schließt sich nordöstlich der polnischen Nachbarstadt die Görlitzer Heide
an. Sie war bis zum 30. April 1929 ein eigener Gutsbezirk, die Görlitzer
Kommunalheide. Der Großteil der Görlitzer Heide liegt nun im polnischen
Powiat Zgorzelecki (Landkreis Zgorzelec). Zu ihm gehören auch die nächsten
größeren Landstädte Pieńsk (Penzig) und Węgliniec (Kohlfurt) im Nordosten.
Flächennutzung
Das Görlitzer Stadtgebiet besteht zu über 60 % aus Grünflächen. Als
Baufläche, die in mehrere Nutzungs- bzw. Bebauungsarten unterteilt ist,
stehen 1484,6 ha zur Verfügung. Im Stadtkern ist die Bebauung sehr dicht.
Besonders die Alt- und die Nikolaivorstadt sind durch enge Straßenzüge und
hohe Altbauten geprägt. Teilweise reichen die Gebäude direkt an das Ufer der
Neiße heran. In den Stadtteilen Königshufen, Rauschwalde und Weinhübel
beherrschen dagegen Wohnblöcke des kommunalen und genossenschaftlichen
Wohnungsbaus das Bild, wobei man den typischen Plattenbau WBS 70 vorwiegend
in Königshufen findet. Diese Stadtteile umschließen den Stadtkern im Norden,
Westen und Süden. In Biesnitz befinden sich vermehrt Eigenheime, die die
ursprünglich aus Villen bestehende Vorstadt verdichten. Die Struktur der
jüngst eingemeindeten Ortsteile ist ländlich. Auf dem ehemaligen
Kraftwerksgelände in Hagenwerder im äußersten Süden befindet sich das größte
Industrie- und Gewerbegebiet der Stadt. Zwischen Königshufen und der
Bundesautobahn 4 liegt ein weiteres Gewerbegebiet. Wasserflächen machen etwa
11 % aus. Der geflutete Tagebau Berzdorf liegt südlich von Weinhübel und
reicht bis an die Ortslagen von Hagenwerder und Tauchritz heran.
Geschichte
Ursprüngliche Besiedlung und Stadtgründung
Archäologische Funde im Stadtgebiet belegen eine Besiedlung seit der späten
Jungsteinzeit (Schnurkeramische Kultur). Aus der Zeit der Lausitzer Kultur
stammen Funde von Brandbestattungen. Des Weiteren wurden Kupfer- und
Bronzemünzen aus der späten Römischen Kaiserzeit geborgen. Nachdem während
der Völkerwanderungszeit im 4. und 5. Jahrhundert die germanische
Bevölkerung das Gebiet der östlichen Oberlausitz verlassen hatte, wurde die
Region erst im späten 7. und 8. Jahrhundert von slawischen Gruppen
wiederbesiedelt, was sich bis heute an den zahlreichen Orts- und Flurnamen
sorbischer Herkunft ablesen lässt, darunter „Görlitz“ selbst. Unsicher ist,
ob es sich dabei um Besunzane handelte, von denen ansonsten nichts bekannt
ist. Aus dieser Zeit stammen Funde von Keramik in der heutigen
Nikolaivorstadt und der östlichen Altstadt.
Anfang der 960er Jahre unterwarf der Markgraf der Sächsischen Ostmark Gero
die slawischen Stämme in der Niederlausitz. Erst um 990 konnte Markgraf
Ekkehard I. von Meißen auch die Milzener in der Oberlausitz unterwerfen. Die
Lausitz blieb jedoch lange Zeit ein Konfliktherd zwischen Böhmen, Polen und
dem Heiligen Römischen Reich. Görlitz wurde 1071 erstmals in einer Urkunde
König Heinrichs IV. erwähnt. Darin erhielt der Bischof von Meißen das
slawische Dorf Goreliz als Geschenk. Das Gebiet der heutigen Ober- und
Niederlausitz kam 1075 als Pfand und 1089 als Reichslehen unter die
Herrschaft der böhmischen Herzöge und späteren Könige, die mit
Unterbrechungen bis 1635 damit auch Stadtherren von Görlitz waren.
Die Burg Yzcorelik, die vermutlich im Bereich der Peterskirche lag, wurde
1126 und 1131 zusammen mit anderen Burgen an der Grenze Böhmens durch Herzog
Soběslav I. ausgebaut.
Angelehnt an die dörfliche Siedlung bzw. die Burg, entwickelte sich wohl in
der Mitte des 12. Jahrhunderts an der Via Regia eine Ansiedlung von
Kaufleuten mit der Nikolaikirche im Kern. Um 1200 entstand eine planmäßige
Stadtanlage um den Untermarkt im Bereich der heutigen Altstadt. Ein
Vertreter des böhmischen Königs, der dem Kreis der führenden Familien
entstammte, aus dem die Großgrundbesitzer und Fernhändler hervorgingen,
residierte 1234 und 1238 in der Stadt. Diese lösten sich spätestens bis 1282
aus der stadtherrlichen Gewalt.
Unter der Herrschaft der Askanier, die den östlichen Teil des Landes Bautzen
mit der Stadt Görlitz 1253 als Pfand vom böhmischen König erhalten hatten,
wurde die Stadtanlage nach Westen erweitert und eine Stadtbefestigung
errichtet, die nun auch das 1234 gegründete Franziskanerkloster einschloss.
Im Jahre 1268 wurde unter den brandenburgischen Markgrafen eine von alters
her bestehende Münzstätte Bautzen urkundlich genannt, die in dem gleichen
Jahr durch eine neu gegründete Görlitzer Münze ergänzt wurde, mit der sie
jährlich abwechselnd prägen sollte.
Aufstieg zum mittelalterlichen Handelszentrum
Für die Zeit kurz vor 1300 ist ein Stadtrat mit Bürgermeister, zwölf
Ratsherren und vier Schöffen belegt. Görlitz bekam 1303 als erste Stadt in
der Region die Unabhängigkeit vom landesherrlichen Vogteigericht verliehen
und erhielt die Obergerichtsbarkeit, was als Datum der städtischen
Unabhängigkeit gilt. Wenig später entwickelte sich eine jüdische Gemeinde.
Nachdem die Stadt 1329 wieder zurück an Böhmen gefallen war, bestätigte
König Johann von Luxemburg die sich entwickelnde Ansiedlung der Juden und
stattete Görlitz mit zahlreichen Rechten, insbesondere dem Münzregal, aus.
Im Jahr 1339 erhielt die Stadt zusätzlich das Stapelrecht für eine in ganz
Europa nachgefragte Färberpflanze, das Waid, für die Farbe Blau in der
Tuchfärbung. Die Stadt wurde durch ihren aufstrebenden Handel sowie wegen
der Monopolstellung für den Waidhandel in den böhmischen Ländern und dank
einer florierenden Tuchproduktion zur bedeutendsten Handelsstadt zwischen
Erfurt und Breslau. Mitte des 14. Jahrhunderts hatte der Rat das
Stadtgericht in Händen. Seit dieser Zeit ist ein doppelter Mauerring
bezeugt, der ein Gebiet von 24 ha umschloss.
Gestützt auf ihre wirtschaftliche Macht und das königliche Privileg,
gründeten am 21. August 1346 Bautzen, Görlitz, Kamenz, Lauban, Löbau und
Zittau den Oberlausitzer Sechsstädtebund, um im Auftrag des Landesherrn, des
Königs von Böhmen und späteren deutschen Kaisers Karl IV., den Landfrieden
zu wahren. Rechtlich stand Görlitz damit den Freien Reichsstädten kaum nach.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung stiegen die Zünfte zu lokalen
Machtfaktoren auf. Sie lehnten die Außenpolitik des Rates ab und begehrten
1369, 1390 und 1405 vergeblich gegen die Ratsobrigkeit auf.
In den Jahren 1377 bis 1396 war die Stadt Zentrum des Herzogtums Görlitz,
das Karl IV. für seinen siebenjährigen Sohn Johann gegründet hatte. Dieser
gestattete 1389 die Vertreibung der Juden aus Görlitz. Nach seinem Tod 1396
wurde das Herzogtum wieder aufgelöst.
Während der Hussitenkriege wurden 1429 die südlichen und östlichen Vorstädte
niedergebrannt, die ummauerte Stadt jedoch nicht belagert. Nach zahlreichen
Fehden, die die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert zur Wahrung des
Landfriedens und ihrer umfangreichen Privilegien geführt hatte, war sie im
15. Jahrhundert auch in die Auseinandersetzungen von Kirche und Adel mit dem
als Kalixtiner angefeindeten König von Böhmen, Georg von Podiebrad
verwickelt, wobei es 1466/68 zur Görlitzer Pulververschwörung kam. Auch in
den Streit um den böhmischen Thron zwischen Georg von Podiebrad und Matthias
Corvinus war Görlitz verwickelt. Deshalb wurden bis 1477 auch die Vorstädte
mit einem Graben und Palisaden umgeben sowie die Stadtbefestigung
modernisiert und verstärkt.
Die Spannungen zwischen Görlitz und Zittau, die bereits nach Ende der
Hussitenkriege begonnen hatten, entluden sich 1491 in einem Bierkrieg, bei
dem es um das Recht der Zittauer ging, Bier zollfrei nach Görlitz
einzuführen und zu vertreiben. Görlitz jedoch verweigerte die Einfuhr und
den Verkauf fremden Bieres und beschlagnahmte es. Zittau reagierte daraufhin
mit Übergriffen auf Ortschaften im näheren Umkreis von Görlitz. Die Fehde
zwischen beiden Städten konnte erst durch einen Schlichterspruch des
Landvogtes beendet werden, der beiden Städten gegenseitige Übergriffe
untersagte und Zittau verpflichtete, den angerichteten Schaden
wiedergutzumachen.
Unter der Herrschaft des ungarischen Königs Matthias Corvinus kam die Stadt
im späten 15. Jahrhundert zu höchster Blüte, die bis weit in das 16.
Jahrhundert anhielt. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Bürgerhäuser und
Kirchenbauten der Spätgotik und Renaissance. Zugleich erwarben Görlitzer
Bürger seit den 1440er Jahren umfangreichen Landbesitz. Um 1500 hatte die
Stadt rund 10.000 Einwohner.
Die Spannungen zwischen Zünften und Rat setzten sich bis in das 16.
Jahrhundert fort und mündeten in den Streit um die Reformation. Ab 1521
wurde in Görlitz evangelisch gepredigt, auch wenn sich der Rat noch lange
widersetzte. Eine evangelische Kirchenordnung wurde 1539 eingeführt. In der
Folge des Schmalkaldischen Krieges war die Stadt 1547 vom Oberlausitzer
Pönfall betroffen, da die Sechsstädte nur sehr zögerlich Truppen für den
Krieg gestellt hatten, die zudem das kaiserliche Lager bereits vor der
Schlacht bei Mühlberg wieder verließen. Die Stadt wurde zur Zahlung einer
hohen Geldstrafe verpflichtet und verlor zahlreiche Rechte und sämtlichen
Landbesitz. Zwar konnten in den folgenden Jahren viele Besitzungen und
Privilegien wieder zurückgekauft werden, die Macht der Städte in der
Oberlausitzer Ständerepublik war jedoch zugunsten des Landesherrn und der
großen Adelsgeschlechter gebrochen.
Görlitz im Kurfürstentum Sachsen
Im April 1636 wurde Görlitz zusammen mit der Oberlausitz, deren Stände sich
den aufständischen Böhmen angeschlossen hatten, zum Ausgleich für
Kriegsschulden des Kaisers an das Kurfürstentum Sachsen vergeben. Der Kaiser
bestätigte 1637 die vorgefundenen konfessionellen Verhältnisse mit dem
Traditionsrezess, woraufhin er in Görlitz die Huldigung entgegennahm. Im
weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurde 1641 das von Schweden
besetzte Görlitz erfolgreich belagert. Dabei erlitt es schwere Schäden. Im
Siebenjährigen Krieg war die Stadt in der Schlacht von Moys erneut
Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen.
Im Jahr 1779 wurde dort die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften
gegründet, die später zur größten bürgerlichen Gesellschaft ihrer Art in
Deutschland heranwuchs.
Als Napoleons Armee aus dem Russlandfeldzug zurückkehrte, zogen
Armeeeinheiten durch das Görlitzer Gebiet und plünderten die umgebenden
Dörfer, unabhängig davon, ob es sich um Verbündete oder Gegner handelte.
Innerhalb eines Jahres marschierten so mehr als 30 Truppenteile an Görlitz
vorbei; die verbündeten Franzosen mussten einquartiert und verpflegt werden.
Bürgermeister Samuel August Sohr berichtete vor allem von den sich schnell
ausbreitenden Epidemien. Nach der Niederlage Napoleons lief das sächsische
Heer zu den Alliierten über, doch wurde Sachsen als Gegner behandelt. Daher
war Sachsen beim Wiener Kongress nicht vertreten. Dort wurde 1815 die
Oberlausitz geteilt und Görlitz der preußischen Provinz Schlesien
zugeschlagen und gleichzeitig Sitz des gleichnamigen Landkreises Görlitz
innerhalb des Regierungsbezirks Liegnitz.
Zweite Blüte im preußischen Staat
Die Zugehörigkeit zu Preußen hatte erheblichen Einfluss auf die politische
und gesellschaftliche Entwicklung der Stadt. Das preußische Stadtrecht wurde
1833 eingeführt und die Stadt kam unter dem ersten Oberbürgermeister Gottlob
Ludwig Demiani zu einer erneuten Blüte. Im Jahr 1847 erhielt sie einen
Bahnanschluss nach Dresden und wurde gleichzeitig über eine Zweigbahn mit
Berlin und Breslau verbunden. 1867 eröffnete die Berlin-Görlitzer
Eisenbahn-Gesellschaft ihre Bahnstrecke von Berlin nach Görlitz vom
Görlitzer Bahnhof in Berlin. 1873 wurde für Görlitz ein eigener Stadtkreis
gebildet.
Damit in Verbindung stand eine rasche Industrialisierung. Zahlreiche
öffentliche Großbauten, Industrieanlagen und Wohnsiedlungen der Gründerzeit
prägen noch heute das Stadtbild südlich der Altstadt. Mit der Teilung
Schlesiens in die Provinzen Ober- und Niederschlesien kam Görlitz 1919 zur
westlichen Provinz Niederschlesien.
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde wie überall im Deutschen
Reich die jüdische Bevölkerung systematisch entrechtet und in
Konzentrationslager verschleppt. Allerdings vereitelte die Görlitzer
Feuerwehr den Versuch, in der Reichspogromnacht 1938 die Görlitzer Synagoge
in Brand zu setzen, sodass diese als eine der wenigen Synagogen im heutigen
Sachsen größtenteils unversehrt blieb. Im Jahr 1944 wurde das KZ-Außenlager
Görlitz eingerichtet. Nachweislich wurden dort über 400 jüdische Häftlinge
aus Ungarn, Polen, Tschechien und Russland ermordet oder starben an
Krankheiten und Entkräftung. Während des Krieges und vor allem gegen dessen
Ende wurden insgesamt 37 Häuser zerstört und je nach Quelle zwischen 78 und
89 teils schwer beschädigt. Alle sieben Neißebrücken wurden am 7. Mai 1945 –
dem letzten Kriegstag – gegen 19 Uhr durch sich zurückziehende
Wehrmachtstruppen gesprengt. Diese Sprengungen zogen auch zahlreiche
angrenzende Bauten in Mitleidenschaft, so auch die Fenster der Kirche St.
Peter und Paul in der Nähe der Altstadtbrücke. Die Stadt wurde von der Roten
Armee besetzt und so Bestandteil der Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und ab
1949 der DDR.
Sozialismus und DDR
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Görlitz durch die Oder-Neiße-Grenze
geteilt. Der östlich der Neiße gelegene Teil der Stadt kam unter polnische
Verwaltung und wird polnisch Zgorzelec genannt. Die dort ansässige
Bevölkerung wurde ab 21. Juni 1945 vertrieben. 650 Personen, die in Görlitz
geboren wurden oder dort ihren letzten Wohnort hatten, wurden von der
sowjetischen Geheimpolizei des NKWD verhaftet. Etwa 250 von ihnen starben in
den sowjetischen Speziallagern. Durch die Flüchtlinge und Vertriebenen aus
den östlich von Oder und Neiße gelegenen Gebieten wuchs die Stadtbevölkerung
im westlichen Teil der Stadt kurzzeitig auf über 100.000 an. Der bei
Deutschland verbliebene größere Teil der Stadt wurde Teil des Landes
Sachsen, das 1952 aufgelöst wurde. Danach gehörte die Stadt zum Bezirk
Dresden.
Mit der Unterzeichnung des Görlitzer Abkommens am 6. Juli 1950 erkannten die
Deutsche Demokratische Republik und die Volksrepublik Polen die
Oder-Neiße-Grenze als Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen an. Die
völkerrechtliche Anerkennung der Grenze seitens des wiedervereinigten
Deutschlands erfolgte mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag und dem bilateralen
Deutsch-Polnischen Grenzvertrag zwischen Deutschland und Polen im Jahr 1990.
Am 17. Juni 1953 kam es in Görlitz nach einer Kundgebung mit 30.000 Menschen
zum zunächst erfolgreichen Aufstand, der nach Verhängung des
Ausnahmezustands durch die sowjetische Besatzungsmacht von Einheiten des
Ministeriums für Staatssicherheit und der Kasernierten Volkspolizei
niedergeschlagen wurde.
Ab 1975 entstanden die Neubaugebiete Königshufen und Rauschwalde, während
die Bausubstanz der Alt- und Innenstadt verfiel. Ende der 1980er Jahre waren
flächendeckende Abrisse geplant, die durch die politische Wende 1989 jedoch
ausblieben. Es gibt in Deutschland nur sehr wenige in ihrer Einwohnerzahl
mit Görlitz vergleichbare Städte, die eine solche Dichte von gut erhaltenen
Baudenkmälern aufweisen können. Von dem Bau- und Sanierungsboom nach der
Wiedervereinigung, der wesentlich durch Fördermaßnahmen des Staates und der
Europäischen Union getragen wurde, konnte insbesondere die Innenstadt
profitieren. Der anhaltende Bevölkerungsschwund in den östlichen
Bundesländern macht sich allerdings auch in dieser Region bemerkbar.
Görlitz im Freistaat Sachsen
Im wiedergegründeten Freistaat Sachsen wurde aus dem Stadtkreis Görlitz eine
kreisfreie Stadt im neu gebildeten Regierungsbezirk Dresden. Im Zuge der
Kreisreform 1994 ging der die Stadt umgebende Kreis Görlitz im neuen
Niederschlesischen Oberlausitzkreis auf. Görlitz wurde zunächst Kreissitz,
verlor diese Funktion jedoch bald darauf an Niesky. Im Verlauf der
sächsischen Kreisgebietsreform 2008 fusionierten der Niederschlesische
Oberlausitzkreis, die kreisfreie Stadt Görlitz sowie der Landkreis
Löbau-Zittau am 1. August 2008 zum Landkreis Görlitz. Kreissitz wurde
Görlitz. Damit entfiel der Status kreisfreie Stadt. Görlitz erhielt den
Titel Große Kreisstadt.
Seit 1991 ist die Stadt Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Historische
Städte, der auch die Städte Bamberg, Lübeck, Meißen, Regensburg und
Stralsund angehören. Ziele sind u. a. der gegenseitige Erfahrungsaustausch,
die Festlegung gemeinsamer Positionen gegenüber politischen Verantwortungs-
und Entscheidungsträgern zu Themen der Stadtentwicklung in Deutschland und
die Stadtentwicklung mit dem Schwerpunkt zukunftsfähiger Konzepte für
historische Stadtstrukturen und deren Bausubstanz. Mit der Gründung der
Hochschule für Technik und Wirtschaft Zittau/Görlitz am 13. Juli 1992 wird
Görlitz einer der zwei Hochschulstandorte der Fachhochschule. Vom 3. bis 5.
September 1993 richtete die Stadt den zweiten Tag der Sachsen aus unter dem
Motto Wir in Sachsen. Zu Gast waren etwa 270.000 Besucher. Im Jahr 1996 fand
die 925-Jahr-Feier statt. Die Feier wurde mit einem Festumzug eröffnet und
inmitten des Obermarktes wurde ein Gerüst in der Grundform des ehemaligen
Salzhauses aufgebaut und mit Planen verkleidet. Anfang der 1990er Jahre gab
es Überlegungen das Gebäude wieder zu errichten, was jedoch mit der
Begründung verworfen wurde, dass die Funktion des Platzes als Bindeglied
zwischen Altstadt und Gründerzeitviertel zerstört würde.
Nach der politischen Wende kam es vor allem auf wirtschaftlichem Feld zu
gravierenden Veränderungen. Die einst volkseigenen Betriebe (VEB) in der
Stadt sollten gemäß den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft
privatisiert werden. Zum 1. Mai 1990 wurde beispielsweise aus dem VEB
Waggonbau Görlitz die DWA-Tochtergesellschaft Waggonbau Görlitz GmbH. Der
VEB Görlitzer Maschinenbau wurde als Siemens Turbinenbau GmbH durch den
Siemens-Konzern von der Treuhandanstalt übernommen. Beim einstigen VEB
Kondensatorenwerk Görlitz scheiterte die Privatisierung und das Unternehmen
musste bereits 1992 Insolvenz anmelden. Auch das Feinoptische Werk Görlitz
wurde aus dem VEB Carl Zeiss herausgelöst und in eine GmbH umgewandelt. Für
einen kurzen Zeitraum lieferte sie wieder Objektive mit der
Markenbezeichnung Meyer-Optik. Auf Grund fehlender Investoren liquidierte
die Treuhandanstalt das Feinoptische Werk Görlitz zum 30. Juni 1991.
Zwischen Januar 1991 und 28. Dezember 1997 wurden die Werksteile I bis III
des Braunkohlekraftwerks Hagenwerder stillgelegt, da u. a. der Strombedarf
sank, wirtschaftlichere Kraftwerksneubauten die Nachrüstung von
Entstaubungs- und Entschwefelungsanlagen als unrentabel erschienen ließ und
auch die Braunkohleversorgung aus dem benachbarten Braunkohletagebau
Berzdorf nur noch maximal 15 Jahre gewährleistet war. Auch der
Tagebaubetrieb wurde nach über 170 Jahren der Braunkohleförderung am 28.
Dezember 1997 eingestellt. Die folgenden Jahre fanden aufwendige
Sanierungsarbeiten für die anschließende Flutung des ehemaligen Tagebaus
statt. Die Bauwerke des stillgelegten Kraftwerks wurden zum Großteil
abgerissen oder gesprengt und das Gelände zum Gewerbegebiet umgewidmet. Mit
Schließung von Kraftwerk und Tagebau verloren insgesamt etwa 6.000
Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.
Görlitz und Zgorzelec bewarben sich 2001 zusammen um den Titel der
„Kulturhauptstadt Europas 2010“. Im finalen Juryentscheidung unterlag die
Doppelstadt der Stadt Essen, die sich stellvertretend für das Ruhrgebiet
beworben hatte.
Beim Augusthochwasser der Lausitzer Neiße im Jahr 2010 brach die Staumauer
des Witka-Stausees. Die Witka ist ein Nebenfluss der Neiße und mündet im
südlich des Görlitzer Ortsteils Hagenwerder in diese. Die Flutwelle
überschwemmte große Teile von Hagenwerder in kurzer Zeit. Durch das
Unterspülen der Gleise der Bahnstrecke Görlitz–Hagenwerder und damit das
Durchbrechen der Fluten in den nahegelegenen Berzdorfer See wurden diese
abgemildert. Jedoch erreichte der Pegelstand eine Höhe von 7,07 m und damit
einen der höchsten Werte seit deren Aufzeichnung. Der mittlere Wasserstand
beträgt 1,75 m. Besonders in den niedriger gelegenen Orts- und Stadtteilen
südlich und nördlich des Stadtzentrums, aber auch an der ufernahnen Bebauung
in der Innen- und Altstadt, im Neißetal südlich der Obermühle sowie der
Zgorzelecer Neißevorstadt gab es erhebliche Schäden.
Religion
Görlitz ist Sitz des katholischen Bistums Görlitz und eines evangelischen
Regionalbischofs für den Sprengel Görlitz der Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Die Reformation fasste seit 1521 Fuß und 1525 wurde in Görlitz die erste
evangelische Messe gelesen. Seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts
war Görlitz eine rein lutherische Stadt. Wie alle Lausitzer Lutheraner
gehörte die Görlitzer Gemeinde keiner Landeskirche an, sondern die Stadt
verwaltete ihre Kirchenangelegenheiten selbst, wobei allerdings dem
katholischen Dekan des Domstifts Bautzen als Leiter einer Apostolischen
Administratur bedeutende Rechte verblieben. Die evangelisch-lutherische
Frömmigkeit in Görlitz wurde Ende des 17. Jahrhunderts stark vom Pietismus
beeinflusst. Ab 1815 gehörte die Stadt zu Preußen und ihr Kirchenwesen wurde
in die unierte Evangelische Kirche in Preußen eingeordnet.
Als Reaktion auf die vom preußischen Staat zwangsverordnete Union zwischen
der lutherischen Kirche und der reformierten Tradition entstand die
altlutherische Evangelisch-Lutherische Kirche in Preußen. In Görlitz wurde
die evangelisch-lutherische Heilig-Geist-Kirchengemeinde gegründet, die
heute zum Kirchenbezirk Lausitz der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen
Kirche gehört. Durch die Wahl des Gemeindepfarrers Gert Kelter zum Propst
des Sprengels Ost der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)
am 27. Januar 2007 ist Görlitz Sitz der Propstei Ost der Altlutheraner
geworden.
Ansonsten war die Stadt Teil der schlesischen Provinzialkirche der
evangelischen Landeskirche, deren Sitz sich seinerzeit in Breslau befand.
Infolge der Grenzziehung nach dem Zweiten Weltkrieg (Oder-Neiße-Grenze)
verblieb nur noch ein kleiner Teil des Gebiets der schlesischen
Provinzialkirche bei Deutschland und kam zur Sowjetischen Besatzungszone.
Das frühere Görlitzer Stadtgebiet östlich der Neiße wurde zur Stadt
Zgorzelec zusammengefasst. Die dort ansässige, meist evangelische deutsche
Bevölkerung wurde 1945–1947 zwangsausgesiedelt. Die an ihrer Stelle neu
angesiedelte Stadtbevölkerung war meist römisch-katholisch, sodass die
Bevölkerung des zur Stadt Zgorzelec gewordenen ehemaligen Görlitzer
Stadtgebiets seit etwa 1947 mehrheitlich katholisch ist.
Die Kirchenleitung unter Bischof Ernst Hornig musste 1946 Breslau verlassen
und siedelte nach Görlitz um. So wurde die Stadt 1947 Sitz einer
Landeskirche, die zunächst den Namen Evangelische Kirche von Schlesien
behielt, 1968 jedoch ihren Namen in Evangelische Kirche des Görlitzer
Kirchengebietes ändern musste und 1992 ihren gegenwärtigen Namen
Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz erhielt. Zum 1. Januar 2004
ging diese Landeskirche in der Evangelischen Kirche in
Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz auf. Seither ist Görlitz Sitz des
(dritten) Sprengels dieser neuen Landeskirche. Innerhalb dieses Sprengels
gehören die Kirchengemeinden der Stadt Görlitz zum Kirchenkreis Schlesische
Oberlausitz.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zogen vermehrt wieder römisch-katholische
Gläubige in die Stadt und gründeten ab 1853 eigene Pfarrgemeinden. Sie
gehörten zum Erzbistum Breslau. Als dessen Gebiet nach dem Zweiten Weltkrieg
infolge der Grenzziehung geteilt wurde, bildete der westlich der Lausitzer
Neiße bei Deutschland verbliebene Teil des Bistums Breslau zunächst das
Erzbischöfliche Amt Görlitz. Hieraus entstand über die 1972 eingerichtete
Apostolische Administratur Görlitz zum 8. Juli 1994 das heutige Bistum
Görlitz innerhalb der neu errichteten Kirchenprovinz Berlin, dessen
Kathedrale die 1898 erbaute St. Jakobuskirche wurde. Innerhalb des Bistums
Görlitz gehören die Pfarrgemeinden der Stadt Görlitz, St. Hedwig und Hl.
Kreuz, zum gleichnamigen Dekanat.
Daneben gibt es in Görlitz auch freikirchliche Gemeinden der Apostolischen
Gemeinschaft, der Baptisten, der Siebenten-Tags-Adventisten, der Pfingstler,
der Evangelisch-methodistischen Kirche und des Bundes Freier evangelischer
Gemeinden in Deutschland.
Weitere Religionsgemeinschaften sind die Kirche Jesu Christi der Heiligen
der Letzten Tage (Mormonen), die Zeugen Jehovas, die Neuapostolische Kirche
und eine Gemeinde des Apostelamts Jesu Christi.
Seit 2005 gibt es in Görlitz wieder eine jüdische Gemeinde. Die Gemeinde
wurde vom Zentralrat der Juden in Deutschland und dem sächsischen
Landesrabbiner Salomon Almekias-Siegl anerkannt und verhandelt (Stand: 2010)
mit der Stadtverwaltung über die Rückübertragung der Synagoge an der
Otto-Müller-Straße.
Im Jahr 2018 wurde vom Verein Assalam (dt. Frieden) ein interkulturelles
Zentrum als Begegnungsort in der Bahnhofsstraße eröffnet. Die Räumlichkeiten
sollen beispielsweise für muslimische Freitagsgebete genutzt werden, stehen
nach Angaben des Vereins aber auch für kulturelle Veranstaltungen
verschiedenster Art auch anderer Konfessionen und Herkunft offen.
Politik
An der Spitze der Stadt ist seit 1282 ein Bürgermeister bezeugt. Später gab
es auch einen Rat. Der Bürgermeister wechselte jährlich. Nach dem Übergang
an Preußen wurde die preußische Städteordnung eingeführt. Rat und
Bürgermeister blieben bestehen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Amt des
Oberbürgermeisters eingeführt.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Oberbürgermeister von der
NSDAP eingesetzt und nach dem Zweiten Weltkrieg bestand ein Rat der Stadt
beziehungsweise die Stadtverordnetenversammlung, die nach den in der DDR
geltenden Regelungen gewählt wurde.
Nach der Wende und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland
1989/1990 wurde das zunächst als Stadtverordnetenversammlung, nunmehr als
Stadtrat bezeichnete Gremium wieder frei gewählt. Der Stadtrat wählte
anfangs auch den Oberbürgermeister. Seit 1994 wird der Oberbürgermeister
jedoch direkt von den Bürgern für sieben Jahre gewählt. Er ist sowohl
Vorsitzender des Stadtrats als auch oberster Dienstvorgesetzter aller
städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter.
Stadtrat
Die Stadtvertretung besteht aus 38 Abgeordneten. Im Stadtrat sind zurzeit
fünf Parteien und zwei lokale Wählervereinigungen vertreten.
Sehenswürdigkeiten
Görlitz besitzt eine der am besten erhaltenen Altstädte Mitteleuropas.
Für das Jahr 2010 bewarben sich Görlitz und Zgorzelec gemeinsam als
Europäische Kulturhauptstadt. Dazu war eines der Schwerpunktprojekte die
Entwicklung eines neuen Zentrums, des sogenannten „Brückenparks“. Entlang
der Lausitzer Neiße werden beiderseits Objekte wie z. B. die Stadthalle, die
Synagoge, die Hochschule und auf dem östlichen Neißeufer die Oberlausitzer
Ruhmeshalle architektonisch zusammen mit weiteren Ideen zu einem
Gesamtentwurf entwickelt. In mehreren Sommerprojekten haben sich bereits
Studierende aus beiden Ländern Gedanken dazu gemacht. Es soll eine Art
„Laboratorium“ entstehen, in dem europäisches Denken und Handeln erprobt
werden kann.
Der Studiengang Kultur und Management an der Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
sowie viele engagierte Bürger und Unternehmen der Region unterstützten die
verbindende Idee der Kulturhauptstadt-2010-Bewerbung von Görlitz. Ein
sichtbares Zeichen dieser Unterstützung sind die fünf Flaggen, die auf der
Landeskrone wehen. Zur Kulturhauptstadt 2010 wurde Essen gewählt, Görlitz
erreichte den zweiten Platz. Jurymitglieder betonten, dass die Entscheidung
äußerst knapp war. In Essen wurde öffentlich die Einbindung einiger
Görlitzer Projekte in das Kulturhauptstadt-Projekt vorgeschlagen. Durch ihre
Bewerbung und das dahinterstehende Konzept erreichten Görlitz und Zgorzelec
aber dennoch eine beträchtliche Steigerung ihres Bekanntheitsgrades im In-
und Ausland. Im April 2009 wurde bekannt, dass Görlitz sich um den Titel
UNESCO-Weltkulturerbe bewirbt. Damit wollte Oberbürgermeister Joachim
Paulick die Lücke schließen, die entstand, nachdem das Dresdner Elbtal den
Titel verlor.
Städtebau, Sanierung und Denkmalschutz
Görlitz gilt mit seinen ca. 4000 Denkmälern als größtes Flächendenkmal
Deutschlands, streng nach Denkmalrecht handelt es sich jedoch um die
flächenhafte Verbreitung von Einzeldenkmälern. Unter den Denkmalen befinden
sich sowohl profane als auch sakrale Bauwerke aus allen Stilepochen zwischen
Spätgotik und Jugendstil.
Durch den hohen Schutzstatus der vielen Einzeldenkmäler kommt es
gelegentlich zu Konflikten mit den Erfordernissen einer modernen
Stadtentwicklung, so geschehen zum Beispiel an der Zeppelinstraße, Ecke
Heilige-Grab-Straße. Hier wurde der Denkmalschutz den
wohnungswirtschaftlichen Belangen untergeordnet und die Häuserzeile
abgerissen.
Mitte der 1990er Jahre beschloss die Stadt eine Erhaltungssatzung nach dem
Baugesetzbuch für die Stadtteile Altstadt, Innenstadt, Nikolaivorstadt und
Südstadt. In diesen Gebieten ist die Bausubstanz sowohl der Einzelgebäude
als auch des städtebaulichen Gesamtensembles geschützt. Auch bei geplanten
Neubauten in diesem Gebiet wird zuvor die Gestalt und deren Symbiose mit
Bebauung der Umgebung sowie die Funktion und Wirtschaftlichkeit des Baus
geprüft. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Denkmäler außerhalb dieses
Erhaltungsgebietes verzichtbar sind. Bei diesen wird ebenfalls vor einem
Abriss oder Neubau der städtebauliche Gesamtcharakter überprüft.
Zusammen mit weiteren zehn ostdeutschen Städten wurde Görlitz zwischen 1990
und 1994 infolge des kritischen Zustandes der Bausubstanz und des
schützenswerten Altstadtkerns zur Modellstadt der Stadtsanierung. Im
Anschluss daran wurden nach und nach Fördergebiete der Stadterneuerung und
-sanierung eingerichtet. Diese bestehen großteils noch heute. Ziel dieser
sich teilweise überlappenden Teilgebiete ist die Revitalisierung und
Weiterentwicklung der innen- bzw. kernstädtischen Bereiche. Es existieren
die folgenden fünf Sanierungsgebiete:
Die Innenstadt Nord ist das erste Sanierungsgebiet und wurde 1991
festgelegt. Es gilt als weitgehend saniert. Das zweite Sanierungsgebiet ist
die Historische Altstadt. Es wurde 1994 beschlossen und entwickelt sich
seitdem positiv. Zeichen für die Attraktivität dieses Gebietes sind die seit
1997 gegen den Trend zunehmende Einwohnerzahl, die im Durchschnitt jüngsten
Bewohner aller Stadtteile und die wachsenden Gästezahlen. In diesem
Sanierungsgebiet kann nur schwer eine Prognose zur Dauer der Sanierung
gegeben werden, da es dort zahlreiche städtebaulich markante und strukturell
komplexe Fälle, wie z. B. die Hallenhäuser gibt.
Ebenfalls 1994 legte man das Sanierungsgebiet Nikolaivorstadt fest. Das
Sanierungsverfahren gilt in diesem Gebiet noch nicht abgeschlossen, da die
prägende Gewerbebrache des ehemaligen Gaswerkes noch nicht revitalisiert
werden konnte. Trotz allem haben sich bereits weite Bereiche des einst
industriell geprägten Stadtteils zu einem gefragten innerstädtischen
Wohngebiet entwickelt. Auch die ergänzenden Neubauten fügen sich neben der
modernisierten Bausubstanz maßvoll in das städtebauliche Bild.
1997 wurde der westliche, von Gewerbebrachen geprägte Rand der
gründerzeitlichen Innenstadt in die Förderkulisse aufgenommen. Dieses
Sanierungsgebiet heißt offiziell Gründerzeitviertel Innenstadt West. Mitte
der 1990er Jahre zeichnete sich eine verstärkte soziale, demographische und
auch bauliche Abwertung dieses Gebietes ab. Durch zahlreiche sanierte
Gebäudezüge und Straßen sowie die Förderung von Gemeinbedarfseinrichtungen
konnte dieser Trend weitgehend verhindert werden. Dennoch erfordert die
Entwicklung dieses Areals noch Geduld und Beharrlichkeit.
Das letzte Sanierungsgebiet Innenstadt Ost/Brückenpark umfasst die zentrale
Innenstadt und die Bebauung entlang der Neiße zur Partnerstadt Zgorzelec.
Die nötige Anpassung städtebaulicher Strukturen an den demographischen
Wandel ist das Ziel des Förderprogramms Stadtumbau Ost, das sich in die
Teile Rückbau und Aufwertung gliedert. Als Rückbaugebiet wurde 2003 das
gesamte Stadtgebiet erklärt. Dies geschah unter anderem aus der Überlegung,
auch in der Innenstadt beispielsweise den Abriss von Hinterhofgebäuden zur
Verbesserung des Wohnumfeldes förderfähig zu machen. Das Integrierte
Stadtentwicklungskonzept (InSEK) erklärt die Neubaugebiete Königshufen,
Rauschwalde und Weinhübel zu Schwerpunktgebieten des Rückbaus.
Der Einsatz von Städtebaufördermitteln zwischen 1990 und 2004 zeigt eine
Trendwende der Zuweisung der Mittel nach Stadtteilen. Entfielen im Zeitraum
von 1990 bis 1996 noch 70,4 % der Fördermittel auf die Altstadt, so sind es
in der gegenwärtigen Förderperiode nur noch 19,3 %. Das Gründerzeitgebiet
vereint dagegen 78,9 % der Fördermittel auf sich. Man könnte durch diese
Zahlen auf einen besonders schlechten Bauzustand der Altstadt Anfang der
1990er Jahre schließen, dies stimmt jedoch nicht. Die Zahlen sind Ausdruck
einer Strategie, die Stadtstruktur von innen heraus zu erneuern.
Mittlerweile gelten 70 % der Wohngebäude in der Kernstadt als saniert und
der Blickpunkt verschiebt sich dort nun zur Aufwertung des Wohnumfeldes der
einzelnen Quartiere, die Gestaltung des öffentlichen Raumes sowie die
Ansiedlung und den Ausbau von Gemeinbedarfseinrichtungen, wie z. B.
Kindergärten. Dies geschah teilweise bereits mit dem Umbau von Plätzen
(siehe z. B. Marienplatz) und Straßen (begonnener Umbau der Berliner Straße)
sowie beispielsweise dem neuen Anbau an der Stadtbibliothek auf der
Jochmannstraße oder der neuen Kindertagesstätte auf der Mittelstraße.
Die Stadt und ihre Denkmalschützer haben einen unbekannten Gönner, der seit
1995 jedes Jahr über einen Münchener Anwalt genau 1.000.000 DM (ab 2002
511.500 €, 2016 abschließend 340.000 €) überweisen ließ. Im Laufe der Jahre
entstand in der Stadt der Begriff Altstadtmillion. Die Altstadtstiftung
verwaltet das Geld und das Kuratorium für Maßnahmen der Denkmalpflege
vergibt es an Bauherren und Institutionen. Seit 2004 werden die so
geförderten Objekte mit einer Plakette gekennzeichnet.
Profanbauten
Görlitz überstand den Zweiten Weltkrieg fast ohne Zerstörungen und besitzt
mit zahlreichen historischen, teilweise denkmalgeschützten Bauwerken eine
der besterhaltenen Altstädte Europas. Die Altstadt und die Nikolaivorstadt
sind überwiegend von Bebauung aus der Spätgotik sowie aus der Zeit der
Renaissance und des Barock geprägt.
In der Nikolaivorstadt befindet sich außerhalb der alten Stadtmauern das
Scharfrichterhaus mit dem Finstertor. Es ist das einzige vollständig
erhaltene Fachwerkhaus der Stadt. Das Haus ist auf 1666 datiert und wurde
komplett saniert. Die Faschen der Hoftür sind mit Sgraffitos versehen,
genauso wie die Eckquaderung an der Außenwand des Erdgeschosses. Eine
Sandsteintafel erinnert an Lorenz Straßburger, den Scharfrichter von
Görlitz, der in diesem Haus lebte. Das Haus wird von der Jugendbauhütte
Görlitz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz genutzt.
Das älteste profane Gebäude der Stadt ist das Waidhaus, auch Renthaus
genannt. Es wurde 1131 erbaut und war im 15. Jahrhundert der
Aufbewahrungsort und Stapelplatz für die Tuchfärbepflanze Waid. Bis 1426
verfügte das Gebäude noch über einen Turm. Von 1447 bis 1530 wurde das Haus
als Schule genutzt. Am Giebel wurde die noch heute lesbare Inschrift „Nil
actum creades, cum quid restabit agendum 1479“ angebracht, die an ein
schweres Feuer im Jahr 1479 erinnert. Heute ist es Sitz des
Fortbildungszentrums für Handwerk und Denkmalpflege e. V.
Südlich des Waidhauses verläuft die Neißstraße, sie ist Teil der alten Via
Regia und das östliche Tor zur Altstadt. Neben dem Biblischen Haus, dessen
Sandsteinfassade Illustrationen aus dem Alten und Neuen Testament zeigt,
befindet sich das Barockhaus Neißstraße 30, das ehemalige Gesellschaftshaus
der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) mit dem
historischen Saal der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften (OLB).
Das Haus aus der Barockzeit war damals das bedeutendste Wohn- und
Handelshaus in Görlitz und der Oberlausitz. Es wurde 2011 komplett saniert.
Am westlichen Ende der Neißstraße öffnet sich der Untermarkt, der durch
seine Renaissancefassaden geprägt ist. Er wird gesäumt von einem
stadtspezifischen Haustyp, dem Hallenhaus, vor geschlossenen Laubengängen.
Der bekannteste Vertreter dieses Typs ist der Schönhof, erbaut 1525 durch
Wendel Roskopf. Er gilt als das älteste bürgerliche Renaissancegebäude
Deutschlands. Ebenfalls auf dem Untermarkt befindet sich die markante
Ratsapotheke mit den beiden Sonnenuhren von Zacharias Scultetus. Der
gotische Kern des Gebäudes wurde 1558 im Stil der Renaissance überformt. Die
Zeiger werfen ihre Schatten auf verschiedenfarbige Linien, die verschiedene
Zeitskalen verdeutlichen, die sogenannten bürgerlichen, die italienischen
und die babylonischen Stunden.
Im Zentrum des Untermarktes befindet sich die sogenannte Zeile. Diese wurde
über die Jahrhunderte immer wieder baulich verändert und besteht heute aus
einem zusammenhängenden Häuserblock. Sie beherbergte damals Händler und
Krämer und bot unter den Laubengängen Platz um Waren anzubieten. Der einst
fachwerklich geprägte Teil auf der nördlichen Seite der Zeile wurde 1706
durch ein neues Verwaltungsgebäude ersetzt, der sogenannten Börse. Kaufleute
hielten dort wöchentlich ihre Zusammenkünfte ab. Das Gebäude wird heute als
Hotel genutzt.
Auf der gesamten Westfront des Untermarkts befindet sich das Rathaus. Es
wurde 1369 als Ort der städtischen Verwaltung in Betrieb genommen und dient
diesem Zweck noch heute. Die Uhr des Rathausturms hat zwei Zifferblätter,
von denen das untere eine Zwölfstundenuhr ist mit einem Männerkopf, dessen
Kinnlade zu jeder vollen Minute nach unten klappt. Die obere Uhr zeigt den
Tag, die Stunde und die Mondphase an. Im Stil der Neorenaissance wurde 1903
der nördliche Teil des Rathauses, das Neue Rathaus, fertiggestellt. Der
Neubau wurde ebenfalls mit Laubengängen versehen. Die Fassade zieren die
sechs Wappen der Städte des Oberlausitzer Sechsstädtebundes.
Vom Untermarkt in Richtung Westen gelangt man über die Brüderstraße zum
Obermarkt. Auch dort befinden sich Renaissance- aber auch Barockfassaden.
Alle Häuser an der nördlichen Seite sind durch den Barock geprägt.
Ursprünglich wurde der Obermarkt als Handelsfläche für Gewürze, im
Speziellen Salz, genutzt. Es wurde im Salzhaus gelagert, das gegen 1424
erstmals erwähnt wurde. Es stand zentral auf dem Markt und reichte von der
Einmündung der Steinstraße bis zur Brüderstraße. Im Jahr 1851 wurde das
Salzhaus abgerissen. In dem Barockhaus 29 wohnte 1813 der französische
Feldherr Napoleon Bonaparte und wohnte vom Balkon einer Militärparade auf
dem Platz bei. Seitdem wird es im Volksmund auch Napoleonhaus genannt.
An der Westseite grenzt der Obermarkt an den Platz des 17. Juni, auf dem der
Kaisertrutz steht. 1427 entstand diese Anlage als Teil des Reichenbacher
Tores. Er war in den Befestigungswall integriert und so mit dem
Reichenbacher Turm verbunden. Erst 1848 wurden die Mauern entfernt. Der
Kaisertrutz diente dann als Hauptwache der preußischen Garnison. Heute ist
er Teil des Kulturhistorischen Museums Görlitz. Neben dem Reichenbacher Turm
gehören auch der Nikolaiturm und der Frauenturm, umgangssprachlich auch
Dicker Turm genannt, zu den drei erhaltenen von ehemals vier Wehrtürmen. Die
Ochsenbastei und der Nikolaizwinger sind die einzigen beiden erhaltenen
Teile des doppelten Görlitzer Stadtmauerrings. Die Hotherbastei ist die
letzte Eckbastei der Stadtmauer.
Vom Obermarkt der Steinstraße südwärts folgend gelangt man in die
Gründerzeit- und Jugendstilviertel der Innenstadt. Während der Jahrhunderte
verschob sich das Zentrum weiter gen Süden bis zur Berliner Straße. Am
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden viele Straßenzüge diesem Trend angepasst.
1913 wurde das Görlitzer Warenhaus am Demianiplatz als Grand Bazar zum
Strauß nach Plänen des Architekten Carl Schumanns eröffnet. Es entstand nach
dem Muster des Kaufhauses Wertheim in Berlin. 1984 begannen die
Restaurierungen an der Außenfassade. Im Inneren hat das Kaufhaus
freihängende Treppen und aus Echtholz geschnitzte Geländer. Auch das
verzierte Glasdach gehört zu den Besonderheiten dieses Gebäudes. Zusammen
mit dem Lichthof ermöglicht es einen großen Lichteinfall in das gesamte
Gebäude. An den tragenden Säulen befinden sich Jugendstilornamente. Riesige,
reich geschmückte Kronleuchter hängen von der Decke herab. Seit 2005 steht
das Kaufhaus weitgehend leer.
Bereits 1887 gründete Otto Straßburg die heute nach ihm benannte
Straßburg-Passage an der Berliner Straße. Sie trug anfangs den Namen
Spezialgeschäft für Leinen- und Baumwollwaren, Gardinen, Geraer
Kleiderstoffe sowie Aussteuerartikel aller Art. 1908 wurde die Passage als
Durchgang erweitert. Den Besuchern war es nun möglich, zwischen der
Berliner- und der parallel laufenden Jakobstraße zu wechseln. Folgt man der
Berliner Straße weiter südlich, gelangt man zum Bahnhof Görlitz. Bereits am
1. September 1847 wurde der erste Bahnhof in Görlitz mit zwei Gleisen
eröffnet. Die nach Osten verlaufenden Gleise führen zum 1847 eröffneten
Neißeviadukt. Von 1906 bis 1917 wurde der Bahnhof komplett umgebaut. In der
DDR-Zeit wurde das Gebäude 1984 unter Denkmalschutz gestellt. Die
Bahnhofshalle weist zehn große Fenster auf, jeweils fünf auf der Nord- und
der Südseite. Zusammen mit den imposanten Deckenleuchter versorgen sie die
Halle mit Licht. Die dreischiffige Bahnhofshalle überspannt die Bahnsteige
II–IV mit den Gleisen 7 bis 12. Lediglich der Bahnsteig I mit den Gleisen 3
und 4 liegt außerhalb der Bahnsteighalle und hat eine separate
Bahnsteigüberdachung. Nur die Gleise 7 bis 12 dienen noch dem
Personenverkehr.
Am westlichen Rand der Altstadt wurde 1906 mit dem Bau einer Musikhalle für
die Schlesischen Musikfestspiele begonnen. Sie wurde am 27. Oktober 1910,
zwei Jahre später als ursprünglich geplant, als Stadthalle mit einem großen
Konzertsaal, dem Bankettsaal, dem Konzertgarten und einer Gaststätte
eröffnet. Etwa 2200 Gäste nahmen an den Feierlichkeiten teil. Der Große Saal
bietet 1400 Gästen Platz. Die Stadthalle ist die größte Konzerthalle
zwischen Berlin, Prag, Dresden und Breslau. Seit 1. Januar 2005 ist sie
wegen notwendiger Sanierung geschlossen.
Neben der auf der Neißstraße in der Altstadt befindlichen Oberlausitzischen
Bibliothek der Wissenschaften gibt es noch weitere Bibliotheken in Görlitz.
1876 entstand im Waisenhaus in der Annengasse die Görlitzer Stadtbibliothek
mit dem Ziel, das Volk zu bilden und das gesammelte Wissen zu verbreiten.
Bereits im Jahr 1902 gab es über 475 registrierte Mitglieder, denen 4700
Bücher zur Verfügung standen. Ab 1905 entstand der Bibliotheksbau im
Jugendstil auf der Jochmannstraße. Der damalige Oberbürgermeister Georg Snay
eröffnete 1907 den Neubau als Städtische Volksbücherei und Lesehalle. Sie
bot den 1311 registrierten Lesern im ersten Jahr 150 Plätze.
Außerhalb der Innenstadt, im heutigen Stadtteil Biesnitz, befindet sich die
Scultetus-Sternwarte. Bartholomäus Scultetus, Bürgermeister, Astronom und
Lehrer am Gymnasium Augustum, war Namensgeber der Einrichtung. Ursprünglich
wurde am 15. Oktober 1856 ein Sternwartenturm an dem am Klosterplatz
gelegenen Augustum eingeweiht. Ab den 1960er Jahren wurde mit dem
erweiterten Aufgabengebiet des Observatoriums und der wachsenden
Ausleuchtung der Innenstadt ein Umzug aus der Stadt beschlossen. In den
Jahren von 1967 bis 1989 wurde ein neues Observatorium erbaut. In dem darin
befindlichen Planetarium können unter einer Kuppel mit einem Durchmesser von
acht Metern 40 bis 60 Besucher einen künstlichen Sternhimmel beobachten. Das
etwa 3000 m² große Gelände verfügt über zwei Beobachtungsstationen mit
abfahrbaren Dächern. Zwei Teleskope mit Spiegeldurchmessern von 40 und 15 cm
sind in den Kuppeln des Hauptgebäudes untergebracht.
Einer der jüngsten Neubauten ist die am 20. Oktober 2004 eröffnete
Altstadtbrücke. Sie entstand leicht versetzt zu der Brücke, die im Zweiten
Weltkrieg von der Wehrmacht auf dem Rückzug gesprengt worden war. Baubeginn
war der 28. April 2003. Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf 2.659.100
Euro. Sie dient als Fußgängerüberweg nach Polen.
Sakralbauten
Die Nikolaikirche, deren Grundmauern sich bis ins Jahr 1100 datieren lassen,
ist die älteste Kirche der Stadt. Sie lag außerhalb des mittelalterlichen
Mauerrings, ebenso wie die angrenzende Nikolaivorstadt, die wegen dieser
Kirche als ältester Siedlungskern von Görlitz angesehen wird. Die Errichtung
des heutigen Gebäudes begann 1452, ging aber zunächst schleppend voran, da
die Fertigstellung der Kirche St. Peter und Paul Vorrang hatte. Vollendet
wurde der Bau der Nikolaikirche von dem Görlitzer Baumeister Wendel Roskopf
als dessen letztes spätgotisches Bauwerk. Geweiht wurde sie 1520. Allerdings
wurde sie wohl nie als Pfarrkirche genutzt, wegen der Nähe von St. Peter und
Paul. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche 1642 zerstört, kurz nach
Kriegsende 1649 wieder aufgebaut. Nach einem Brand im Jahr 1717 baute man
die Kirche um und zog eine Flachdecke in das Kirchenschiff ein. Diese wurde
erst im frühen 20. Jahrhundert wieder entfernt und 1925/26 von Martin
Elsaesser mit einem expressionistischen Deckengewölbe ausgestattet. Direkt
an die Nikolaikirche grenzend liegt der Nikolaifriedhof. Die Gräber und
Grüfte stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Sie lassen sich stilistisch
dem Manierismus, dem Barock und Rokoko sowie dem Klassizismus zuordnen.
Im Norden der ummauerten Altstadt, südlich nur des Vogtshofes, befindet sich
die Pfarrkirche St. Peter und Paul, umgangssprachlich Peterskirche, eine
fünfschiffige spätgotische Kirche, die zwischen 1425 und 1497 erbaut wurde.
Sie ist die größte spätgotische Hallenkirche Sachsens. Ihre Türme prägen das
Bild der Altstadt, weshalb sie als eines der Wahrzeichen von Görlitz gilt.
Bereits in den Jahren zwischen 1234 und 1245 wurde vor den Toren der Stadt,
am heutigen Obermarkt, die Dreifaltigkeitskirche errichtet. Die Mönche des
Franziskanerordens nutzten sie anfangs als Klosterkirche. 1715 wurde sie der
Heiligen Dreifaltigkeit gewidmet und dient als evangelisches Gotteshaus.
Heute dient der Bau als Teil des Augustum-Annen-Gymnasiums.
In Richtung Südwesten, wo die Altstadt in das Gründerzeitviertel übergeht,
wurde 1349 die Sühnekirche Unserer Lieben Frauen errichtet. Als sie in den
Hussitenkriegen 1429 zerstört wurde, wurde die Frauenkirche als
dreischiffige Hallenkirche mit langgestrecktem Chor und spätgotischer
Einwölbung errichtet. Bis 1831 war dieser spätgotische Bau von einem
Friedhof umgeben dessen Gräber heute noch teilweise erhalten sind.
Südlich des Bahnhofs wurde am 6. Oktober 1900 die Kathedrale St. Jakobus
konsekriert. Der neogotische Bau dauerte von 1898 bis 1900 und wurde
komplett in Ziegelbauweise gefertigt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche
stark beschädigt. Bis 2012 sollten die vier kleinen Nebentürmchen, die
Dachaufbauten und das Fries aus gelben und roten Dachziegeln rekonstruiert
worden sein. Sie ist die Hauptkirche Bistum Görlitz. Die Fertigstellung
erfolgte schließlich im Frühjahr 2016.
Ebenfalls in der Innenstadt befindet sich die 1901 geweihte Lutherkirche.
Sie ist der erste evangelische Kirchenneubau, der nach der Reformation in
Görlitz geweiht wurde. Der Grundstein wurde am 10. November 1898, zum
Geburtstag Martin Luthers, gelegt. Stilistisch nimmt der Bau Bezug auf die
Kaiserdome am Rhein und ist im neoromanischen Stil gehalten. Die Fassade
besteht aus roten Ziegeln mit verschiedenfarbigen Dekoreinlagen aus
Glasursteinen. Besonders auffällig sind ihre reich verzierten Fenster.
Einen Eindruck von der Bedeutung der jüdischen Gemeinde vor 1933 vermittelt
die Synagoge in der Nähe des Stadtparks. Sie wurde von 1909 bis 1911 erbaut
und ist die einzige im heutigen Sachsen, die die Pogromnacht 1938 unzerstört
überstanden hat. Sie ist heute eine Stätte der Begegnung und des Lernens.
Von erheblicher kunsthistorischer Bedeutung ist der Nachbau des Heiligen
Grabes von Jerusalem von 1504. Er ist gemeinsam mit dem nachgebildeten
Kreuzweg eine beliebte Pilgerstätte. Es befindet sich am nordwestlichen Rand
der Altstadt.
Gedenkstätten
Im Jahre 1988 wurde an der Synagoge Otto-Müller-Straße 3 zur Erinnerung an
die jüdischen Opfer der Shoa sowie die Verwüstung des Gotteshauses bei den
Novemberpogromen 1938 eine Gedenktafel angebracht. Ein Mahnmal auf dem
Jüdischen Friedhof an der Biesnitzer Straße erinnert an 323 KZ-Häftlinge aus
dem Außenlager Görlitz des KZ Groß-Rosen. Für die italienischen
Militärinternierten, die während des Zweiten Weltkrieges Opfer der
Zwangsarbeit wurden, wurde ein Gedenkstein auf dem Städtischen Friedhof
errichtet. Die Gedenktafel am linken Flügel des Gerichtes auf dem Postplatz
erinnert an die Opfer des Volksaufstandes am 17. Juni 1953. Das Denkmal aus
dem Jahre 1948 am Wilhelmsplatz (zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Platz) ist allen
Opfern des Faschismus gewidmet. Eine weitere Tafel erinnert an der
ehemaligen Tuchfabrik Hossner, an der Neiße im Stadtteil Weinhübel (bis 1936
Leschwitz) an die Opfer eines 1933 für annähernd 1.300 Häftlinge dort
eingerichteten Schutzhaftlagers. Für den Künstler Johannes Wüsten, der 1943
in Brandenburg-Görden ermordet wurde, sind Gedenktafeln an den Häusern
Johannes-Wüsten-Straße 7 und 23 sowie Porträtbüsten in der Ständigen
Ausstellung der Kunstsammlungen und an der Straßenecke
Johannes-Wüsten-Straße zur Curie-Straße angebracht worden. Die Gedenktafel
am Haus Bismarckstraße 32 erinnert an den sozialdemokratischen Politiker
Rudolf Breitscheid, der 1944 im KZ Buchenwald ums Leben kam. An seinem
Geburtshaus Konsulstraße 1 brachte man für den antifaschistischen
Gewerkschafter Kurt Steffelbauer, der 1942 in Berlin-Plötzensee ermordet
wurde, eine Tafel an. Eine weitere Gedenktafel erinnert an den
kommunistischen Widerstandskämpfer Herbert Balzer, der 1945 von SS-Männern
ermordet wurde. Sie befindet sich am Haus James-von-Moltke-Straße 7.
Oldtimer-Parkeisenbahn
Adler der Oldtimer-Parkeisenbahn
Die Görlitzer Oldtimer Parkeisenbahn wurde 1976 als elfte Pioniereisenbahn
der DDR errichtet. Ihr auf einer Spurweite von 600 mm fahrender Zug ist eine
Nachbildung der ersten deutschen Eisenbahn von 1835 nebst dessen Lokomotive
Adler. Zur Eröffnung nahmen etwa 70 Görlitzer Schüler die Tätigkeit in der
neuen Arbeitsgemeinschaft des Pionierhauses auf. Für die eisenbahntechnische
Unterstützung stellte die Deutsche Reichsbahn immer wieder Mitarbeiter zur
Unterstützung frei, bis 1990 wurden die Lokführer vom Bahnbetriebswerk
Görlitz gestellt.
Parks
Tierpark
Der Görlitzer Naturschutz-Tierpark ist ein anspruchsvoll gestaltetes
naturnahes Ensemble. In zum Teil durch die Besucher begehbaren Gehegen leben
über 500 Tiere wie kleine Pandas, Fischotter oder Yaks. Mit seiner fünf
Hektar großen Fläche gehört er zu den kleineren Zoos in Deutschland. Im Jahr
2007 feierte der Park seinen 50. Geburtstag und konnte erstmals seit zehn
Jahren mehr als 100.000 Besucher verzeichnen.
In der Nähe der Stadthalle befindet sich der Stadtpark, dessen besondere
Anziehungspunkte ein großer Holzspielplatz und der Meridianstein für den 15.
Grad östlicher Länge sind. Außer dem Stadtpark existieren in der Alt- und
Innenstadt noch zahlreiche weitere Grünanlagen, z. B. das Weinberggelände,
das sich entlang der Neiße von der Obermühle im Norden vorbei am
Neißeviadukt bis hin zur Weinlache im Süden zieht, der Ölberggarten am
Heiligen Grab sowie die Grünanlagen im Nikolai- und Ochsenzwinger. Auch in
den umgebenden Stadtteilen gibt es größere Grünanlagen, so z. B. das
Birkenwäldchen zwischen Rauschwalde und der Südstadt, den Kreuzkirchenpark
in der Südstadt, das Kidrontal in Königshufen sowie den Loenschen Park
zwischen Biesnitz, Kunnerwitz und Weinhübel.
Ca. 17 km nördlich von Görlitz liegt die Kulturinsel Einsiedel. Sie ist eine
Verbindung von Kunst, Kultur und Natur. Auf dem detailliert gestalteten
Abenteuerspielplatz befinden sich Tunnels, Klettergerüste und ein großes
Piratenschiff. Im Jahr 2005 wurde ein Hotel auf der Kulturinsel eröffnet. Es
besteht aus mehreren Baumhäusern in acht bis zehn Meter Höhe.
Die Landeskrone
Das Wahrzeichen von Görlitz, die Landeskrone, ist ein 420 m hoher
Basaltkegel vulkanischen Ursprungs. Sie ist die einzige namhafte Erhebung im
Umkreis von Görlitz. Von der Landeskrone eröffnet sich ein weiter Blick über
das Lausitzer Bergland bis hin zum Zittauer Gebirge und bei guter Sicht bis
zum Riesengebirge mit der Schneekoppe. Eine erste Bebauung geht auf die
Bronzezeit zurück, es folgten eine frühmittelalterliche und eine
hochmittelalterliche Burganlage mit Siedlung. Hinter bis zu acht Meter
dicken Steinmauern einer Wallanlage siedelten Handwerker und Händler der
Slawen. Der böhmische Herzog Othelrich eroberte 1015 diese Hauptburg und
nahm eintausend der Verteidiger gefangen.
Auf dem Südgipfel steht seit 1901 die 13 m hohe Bismarcksäule zu Ehren von
Fürst Otto von Bismarck, der Ehrenbürger der Stadt Görlitz ist. Die erste
kleine Gastwirtschaft eröffnete 1844 auf dem Berg. Der größere Nachfolgebau
von 1863 brannte 1946 nieder. Erst 1951 entstand die heutige Gipfelbebauung,
in die nach der letzten Sanierung 1994 eine Gaststätte und das Burghotel
einzog.
Die Stadt erwarb die Landeskrone 1440 von adligen Vorbesitzern und holzte
die Bäume auf dem Berg nahezu komplett ab. Erst 1840 legte man die heutige
Lindenallee an, die am Fuße der Landeskrone beginnt. Die Lindenallee führt
in 178 Stufen aufwärts bis zur Fahrstraße, die wiederum bis zum Gipfel
führt. Der restliche Bergsockel wurde 1883 mit Rotbuchen bepflanzt. Der so
mit der Zeit entstandene dichte Laubwald am Berg wurde 1953 zum
Naturschutzgebiet erklärt. Es gehört zum FFH-Gebiet Basalt- und
Phonolithkuppen der östlichen Oberlausitz.
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Görlitz |
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