Der Bericht
Die 09. Fahrt der Donnerstagsrunde 2001 -
Radtour durchs Ruhrgebiet
aus:
Hrsg. Tennis-Club
Rot-Weiß Bad Honnef e.V., "Der
Balljunge" Nr. 02/2001, S.
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Der Pott kocht
Wenn der Begriff Ruhrgebiet
fällt, denkt man unwillkürlich
an rauchende Schlote, Lärm,
Dreck und gigantische
Industrieanlagen. Doch weit
gefehlt. Dieses Vorurteil, wenn
es überhaupt jemals gegolten
hat, trifft keineswegs die
Wirklichkeit des heutigen
Ruhrgebiets. Davon konnte sich
die erweiterte
"Donnerstagsrunde" mit 10
Personen auf einer Radtour vor
Ort überzeugen. Obwohl wir die
Städte Mülheim, Essen, Bochum,
Witten, Unna, Hamm, Kamen, Lünen,
Dortmund, Castrop-Rauxel, Herne
und Gelsenkirchen, um nur die
wesentlichsten zu nennen,
durchfahren haben, fanden wir
uns fast durchgängig in
idyllischen Fluss-, Seen- und
Parklandschaften wieder. Keine
Spur von einer
menschenfeindlichen
Industrielandschaft sondern eher
ein sehr großes
zusammenhängendes
Erholungsgebiet.
1.Tag:
Mit dem Zug fuhren wir von
Rhöndorf - dort kann man mit dem
Rad direkt auf den Bahnsteig
fahren über Köln Deutz nach
Mülheim an der Ruhr. Eine
Gruppenkarte der Bahn bietet
günstige Konditionen und die
Bahnfahrt selbst ein
stressfreies
Gemeinschaftserlebnis zur
Einstimmung. Nach dem Entladen
unserer Fahrräder hatten wir
auch ganz schnell die Ruhr
erreicht. Verfahren konnte man
sich nun eigentlich nicht mehr.
Die gut ausgeschilderte Route
führt immer der Ruhr entlang,
unterbrochen von Baldeneysee und
Kemnader Stausee, durch
weitläufige Ruhrauen, Wälder und
landwirtschaftliche Betriebe,
vorbei an historischen Orten mit
viel Fachwerk und Zeugen der
Industriegeschichte. Es war eine
Tour mitten durch die grüne
Lunge des Potts. Und Lunge
brauchten wir auch! Nicht nur
weil die Organisatoren die
Streckenlänge spürbar (und zwar
am Hinterteil) unterschätzt
hatten, sondern auch weil uns am
Schluss der Etappe ein steiler
Waldanstieg erwartete, an dem
gemessen Alpe d'Huez wohl
verblassen würde. Hier erfuhren
und erlitten wir, dass auch
Fahrradschieben äußerst
anstrengend sein kann. Nach
20-minütiger Schiebetour kamen
alle durchgeschwitzt ins Ziel,
wo zur Stärkung und Versöhnung
schon frisches Bier auf uns
wartete.
2. Tag:
Die zweite Etappe war
navigatorisch schon etwas
schwieriger, weil wir bald die
Ruhr Richtung Norden verließen,
was auch Folgen hatte. Das Ziel
war Lünen über Unna, Bö-nen,
Hamm und Werne. Die Route führte
nun überwiegend über
verkehrsarme Nebenstrassen. Die
Ausläufer des Sauerlands zeigten
sich in hartnäckigen Steigungen.
Zum Glück ging es auch hin
wieder mal bergab. Vielleicht
war das, oder besser, der damit
zusammenhängende
Geschwindigkeitsrausch auch der
Auslöser von zwei Verlusten.
Zuerst verloren wir einen noch
unerfahrenen Mitfahrer, als
unsere Radroute mitten in einer
Talabfahrt rechts abbog. Etwas
später dann einen weiteren,
diesmal aber schon erfahreneren
Mitfahrer bei eine ähnlichen
Gelegenheit. Beide versuchten
nun unabhängig voneinander auf
eigene Faust den Zielort zu
erreichen und dies nur mit sehr
fragmenthaften Detailkenntnissen
über die zu fahrende Strecke.
Erstaunlich war zudem, dass im
Zeichen der mobilen
Kommunikation ausgerechnet von
diesen beiden einer sein Handy
nicht mitgenommen hatte und der
andere weder seine eigene noch
eine Nummer der Mitfahrer
kannte. Zum Glück war nach
einigen Versuchen eine der
Ehefrauen zu Hause erreichbar,
die aus der Klemme helfen konnte
und somit die Rettungsaktion für
den ersten "Verlust" erfolgreich
eingeleitet werden konnte. Aber
auch der zweite "Verlust"
tauchte dann wie durch ein
Wunder zufällig am vereinbarten
Treffpunkt ein, so dass wir
vollständig und geschlossen
unser Tagesziel erreichen
konnten.
3. Tag:
Die Erfahrungen des Vortages
äußerten sich in einer extrem
disziplinierten Truppe. Es wurde
zusammenhängend in der Gruppe
gefahren, man versuchte keine
Ausreißversuche, man gab
Zeichen, wenn jemand
zurückzufallen drohte, jeder
fühlte sich verantwortlich und
zählte ständig die Gruppenstärke
nach, man interessierte sich
auch im Einzelnen für den
Streckenverlauf und so weiter
und so weiter. Im wesentlichen
orientierten wir uns am Emscher
Park Radweg, fuhren aber
teilweise auch auf alten
Leinpfaden des Kanals parallel
zur Emscher. Das Wetter war sehr
sonnig und heiß und wir sahen zu
unserem Erstaunen sogar Leute im
Kanal baden. Am frühen
Nachmittag fanden wir einen
schattigen Biergarten "auf
Schalke", also im Herzen von
Gelsenkirchen. Hier beschlossen
wir bei kühlem Bier und gutem
Essen, unsere Radtour zu
beschließen. Zugute kamen uns
dabei die ausgezeichneten
öffentlichen Verkehrsmittel im
Verkehrsverbund Rhein/Ruhr.
Schon nach ein paar hundert
Meter hatten wir einen S-Bahnhof
erreicht, von dem wir die
Heimreise antreten konnten.
Pünktlich, wie geplant
erreichten wir dann wieder
Rhöndorf.
Bei einem "Absacker" zogen wir
als Fazit, dass wir das
Ruhrgebiet ganz anders als in
unserer Vorstellung, nämlich
nicht als Industrie- sondern als
Erholungsgebiet kennen gelernt
haben und dass es sich lohnt,
dorthin eine Reise zu machen.
Angeboten wird viel, der Bogen
spannt sich über Kultur,
Industriemuseen,
Einkaufsmöglichkeiten bis hin zu
schönen Landschaften und guter
Verkehrsinfrastruktur, kurz
gesagt: "Der Pott kocht".
Wolfgang Roseneck
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