Von der Ostsee nach Masuren und Schlesien
28. Mai - 23. Juni 2019
Hirschberg
Hirschberg im Riesengebirge, poln. Jelenia Góra, gebirgsschlesisch
Herschbrig oder Herschbrich; tschechisch Jelení Hora, auch Hiršperk) ist
eine Stadt in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien.
Geographie
Geographische Lage
Die Stadt liegt in Niederschlesien im Hirschberger Tal am Fuß des
Riesengebirges, das die Grenze zu Tschechien bildet. rund 90 km südwestlich
von Breslau und 70 km östlich von Görlitz. Sie gehört zur Euroregion Neiße
und ist Sitz des Karkonoski Park Narodowy (Nationalpark Riesengebirge).
Stadtgliederung
Die Stadtgemeinde Jelenia Góra umfasst eine Fläche von 109 km², rund 85.000
Einwohner.
Geschichte
Unter den schlesischen Piasten
Das heutige Jelenia Góra wurde wahrscheinlich kurz vor 1281 auf herzoglichem
Boden gegründet. Es gehörte damals zum Herzogtum Schweidnitz und war
Mittelpunkt eines deutschen Rodungsbezirks. Erstmals erwähnt wurde es 1281
als „Hyrzberc“ in einer Urkunde, mit der Herzog Bernhard I. von Löwenberg (†
1286) den Johannitern von Striegau einen Grund am Oberlauf des Flusses
Zacken verlieh. Eine weitere Erwähnung erfolgte 1288 in einer Urkunde des
Herzogs Bolko I., in der dieser „unseren Bürgern von Hyrzberc“ (nostrorum
civium Hyrsbergensium) die Errichtung einer Schenke in Warmbrunn erlaubte.
Für das Jahr 1299 ist Hirschberg als Stadt (civitas) belegt.
Unter Herzog Bolko II. erhielt Hirschberg 1338 das Meilenrecht, 1355 das
Salz- und Bergwerksrecht sowie die Freiheit von Abgaben im Handel mit
Böhmen, 1361 das Waag- und Münzrecht und 1366 die gegenseitige Zollfreiheit
mit Breslau. Nach dem Tod Herzog Bolkos II. 1368 erhielt seine Witwe Agnes
von Habsburg zwar ein lebenslanges Nießrecht über das Herzogtum, das jedoch
gleichzeitig als erledigtes Lehen an die Krone Böhmen fiel. 1377 erwarb die
Stadt die Vogtei von Herzogin Agnes.
Unter böhmischer Krone
Burgtorturm als Aussichtsturm
Die Hirschberger Gnadenkirche in einer Darstellung aus der Mitte des 18.
Jahrhunderts
1395 bis 1406 war Hirschberg im Besitz des böhmischen Oberstburggrafen
Johann Kruschina von Lichtenburg. Während der Hussitenkriege wurde die seit
1291 belegte Burg am Hausberg auf Geheiß des Landeshauptmanns zerstört. 1502
gewährte der böhmische König Vladislav II. der Stadt das Recht der freien
Ratswahl, sein Nachfolger Ludwig II. 1519 die Abhaltung eines Jahrmarkts und
Kaiser Ferdinand II. 1532 einen zweiten Markt. Mit der Einführung der
Reformation 1524 entwickelte sich Hirschberg zu einem wichtigen
evangelischen Zentrum. In der Stadtkirche wurde evangelisch gepredigt und
1566 ein evangelisches Schulhaus errichtet.
Seit dem 17. Jahrhundert waren das Hirschberger Tal und Jauer Zentren der
Leinenproduktion, insbesondere feiner Schleier, deren Herstellungsweise 1570
aus Holland importiert worden war und für die die Stadt von Ferdinand II.
1630 ein Privileg erhielt. Das Leinen wurde als Nebenerwerb von Kleinbauern,
Frauen und Kindern in Heimarbeit hergestellt. In den Handelskontoren nahe
den Gewässern wurden sie dann in Lagergewölben gebleicht und aufbewahrt.
Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde Hirschberg mehrmals belagert und
zur Zahlung von Kontributionen verpflichtet. 1658 erfolgte die Gründung
einer Kaufmannssozietät, die das Monopol auf den Leinenhandel hatte und die
Qualität der Ware kontrollierte, was wesentlich zum Aufschwung nach dem
Dreißigjährigen Krieg beitrug. Anfangs arbeiteten die Aufkäufer vorwiegend
im Auftrag ausländischer Großhändler, doch konnten einige der Schleierherren
bald eigene Niederlassungen im Ausland gründen. Zu den Hauptabnehmern der
Ware zählten England, Italien, Spanien, Holland, Frankreich, Russland und
das Habsburgerreich. Die Handelsherren ließen aufwendige Handelshäuser
errichten und erwarben auch Landgüter in der Umgegend.
Trotz der verordneten Rekatholisierung konnte aufgrund der Altranstädter
Konvention vor den Toren der Stadt 1708 bis 1718 eine evangelische
Gnadenkirche errichtet werden, die im Wesentlichen von den Hirschberger
Kaufmannsfamilien finanziert wurde.
Die Errichtung des Hirschberger Gymnasiums war ebenfalls gleich nach der
Altstädter Konvention 1707 in Angriff genommen worden. Das Lyzeum wurde 1709
gegründet und 1712 in eine Gelehrtenschule umgewandelt. Eine Umgestaltung zu
einem humanistischen Gymnasium begann dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Preußische Herrschaft
Flagge der Stadt Hirschberg.
Hirschberg um 1895
Nach dem Ersten Schlesischen Krieg fiel Hirschberg wie fast ganz Schlesien
an Preußen. Die damit verbundene Abtrennung der böhmischen und
österreichischen Handelsmärkte führte zu einem beträchtlichen Einbruch der
Leinen- und Schleierweberei, die seit dem 16. Jahrhundert florierte und der
Stadt zu einer wirtschaftlichen Blüte und Reichtum verholfen hatte. Auch der
Import von Baumwolle trug zum Niedergang der Heimproduktion bei, ferner die
napoleonische Kontinentalsperre und die Gründung der Erdmannsdorfer Fabrik
durch die Preußische Seehandlung 1840.
Nach der Neugliederung Preußens gehörte Hirschberg seit 1815 zur Provinz
Schlesien und war ab 1816 Sitz des Landkreises Hirschberg. Durch die
Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden neben der Leinenindustrie
Maschinen-, Papier- und Zementfabriken sowie Mehl- und Schneidemühlen. Mit
dem Eisenbahnanschluss 1866 nach Görlitz und Berlin und ein Jahr später nach
Waldenburg und Breslau entwickelte sich Hirschberg zu einem beliebten
Ausflugs- und Touristenort. Im Hirschberger Tal entstanden im 19.
Jahrhundert etwa 30 teils große Schlösser, etwa das von Prinz Wilhelm von
Preußen in Fischbach (Karpniki), das in Schildau (einst im Besitz von
Prinzessin Luise von Preußen).
Seit dem 1. April 1922 bildete die Stadt Hirschberg einen eigenen
Stadtkreis. 1924 wurde der Gutsbezirk Hartau, 1928 der Gutsbezirk
Schwarzbach aus dem Landkreis in die Stadt eingegliedert. Am 9. Juli 1927
erhielt die Stadt Hirschberg, die bisher auch den Zusatz i. Schles. trug,
die neue Bezeichnung Hirschberg im Riesengebirge, wobei sich bald die
amtliche Schreibweise Hirschberg i. Rsgb. durchsetzte. 1934 wurde eine
Hochschule für Lehrerbildung aus Halle hierher verlagert (Bestand bis 1941),
die zunächst im seit 1931 bestehenden Neubau des Gymnasiums im Kramstaweg
(heute: Hochschule in der ul. Nowowiejska 3) unterkam. 1934 wurden vier
jüdische Bürger in der Nähe der Halben Meile ermordet. 1936 erfolgte die
Inbetriebnahme einer Zellwollefabrik. Im Zweiten Weltkrieg wurde in
Hirschberg ein Außenlager des KZ Groß-Rosen errichtet und von Februar bis
Mai 1945 wurden Gefangene des Nacht-und-Nebel-Erlasses im
Landgerichtsgefängnis Hirschberg inhaftiert.
Zugehörigkeit zu Polen seit 1945
Gegen Kriegsende wurde Hirschberg im April 1945 von der Roten Armee
eingenommen und wenig später von der sowjetischen Besatzungsmacht zusammen
mit fast ganz Schlesien unter polnische Verwaltung gestellt. Der Stadtname
wurde als Jelenia Góra ins Polnische übersetzt. Die deutsche Bevölkerung
wurde bis auf wenige Ausnahmen vertrieben und enteignet. Die neuen Bewohner
waren zum Teil aus Gebieten östlich der Curzon-Linie umgesiedelt bzw.
vertrieben worden.
Die Stadt hatte keine Kriegszerstörungen erlitten, gleichwohl wurden
zahlreiche Häuser der Altstadt nach 1945 dem Verfall preisgegeben. Nach 1965
erfolgte eine vereinfachte Rekonstruktion der Ringbebauung. 1975 bis 1998
war die Stadt Hauptstadt der Woiwodschaft Jelenia Góra. Die
Wirtschaftsuniversität Breslau (Uniwersytet Ekonomiczny we Wrocławiu)
betreibt hier eine Außenstelle mit einem Schwerpunkt auf Regionalwirtschaft
und Tourismus.
Sehenswürdigkeiten
Die katholische Stadtpfarrkirche St. Erasmus und Pankratius (Kościól par. ŚŚ.
Erazma i Pankracego) wurde erstmals 1288 erwähnt und 1303 in Stein neu
errichtet. Von 1524 bis 1629 diente sie als evangelisches Gotteshaus. In der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde sie barockisiert. Den Hauptaltar
schufen der Bildhauer Thomas Weisfeldt aus Oslo und der Hirschberger
Tischler David Hielscher; das Hauptaltargemälde stammt vom Glogauer Maler
Johann Kretschmer.
Die Mariensäule neben der Kirche stammt vermutlich ebenfalls von Thomas
Weisfeldt, die Nepomuk-Statue (Nepomuk war Schutzpatron von Böhmen)
vermutlich Joseph Anton Lachel.
Die ehemals evangelische Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz (Kościół Św. Krzyża)
wurde 1709 bis 1718 nach Entwurf des aus Reval stammenden und in Liegnitz
ansässigen Architekten Martin Frantz nach dem Vorbild der Stockholmer
Katharinenkirche errichtet. Die Wand- und Gewölbemalereien schufen Felix
Anton Scheffler und Johann Franz Hoffmann. Um die Kirche befindet sich ein
weitläufiger Friedhof, der so genannte Gnadenkirchhof. Er ist von einer
Mauer mit 19 Grufthäusern von Patrizierfamilien der 1658 begründeten
Hirschberger Kaufmannssozietät umgeben. Alle wertvollen Grabplatten und
-monumente im Innenbereich des Friedhofs wurden nach 1945 zerstört. Erhalten
und kürzlich restauriert wurden die prachtvollen Epitaphien und Grufthäuser
entlang der Innenseite der Friedhofsmauer.
Das Rathaus wurde 1361 erstmals urkundlich erwähnt. Der jetzige Barockbau
stammt aus den Jahren 1744 bis 1747 und ist noch heute Sitz der
Stadtverwaltung. Um 1910 wurde das Rathaus mit den benachbarten
„Siebenhäusern“ verbunden.
Die Bürgerhäuser am Ring (Plac Ratuszowy) mit gewölbten Laubengängen aus der
Barock- und Rokokozeit wurden nach 1945 dem Verfall preisgegeben und nach
1965 vereinfacht rekonstruiert. Hier wohnten die reichsten Bürger der Stadt.
Je nach ihrer Bestimmung gab es Kürschner-, Tuch-, Garn-, Seildreher-,
Weißgerber-, Korn- und Butterlauben.
Der ehemalige Kaiser-Wilhelm-Turm (Aussichtsturm) von 1911 auf dem Hausberg
(375 m), im Jahre 2011 erneuert.
Ruine der Burg Chojnik (Kynast) im Ortsteil Sobieszów.
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jelenia_Góra
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