Von der Ostsee nach Masuren und Schlesien
28. Mai - 23. Juni 2019
Lehnarten
Lehnarten, poln. Lenarty,ist ein Dorf in der polnischen Woiwodschaft
Ermland-Masuren und gehört zur Stadt- und Landgemeinde Olecko (Marggrabowa,
umgangssprachlich auch Oletzko, 1928 bis 1945 Treuburg) im Powiat Olecki
(Kreis Oletzko, 1933 bis 1945 Kreis Treuburg).
Geographische Lage
Der Weiler (polnisch osada) Lenarty liegt im Osten der Woiwodschaft
Ermland-Masuren, neun Kilometer nördlich der Kreisstadt Olecko.
Geschichte
Der seinerzeit Kuiwe, später auch Lenharten, bis 1945 Lehnarten genannte
kleine Ort wurde im Jahre 1573 gegründet.
Im Jahr 1874 wurde der Gutsbezirk Lehnarten in den neu errichteten
Amtsbezirk Bialla (polnisch Biała Olecka) eingegliedert, der – 1903 in
„Amtsbezirk Billstein“ umbenannt – bis 1945 zum Kreis Lötzen (1933 bis 1945:
Kreis Treuburg) im Regierungsbezirk Gumbinnen der preußischen Provinz
Ostpreußen gehörte. Zum Gutsbezirk gehörte auch der Wohnplatz Kujawa.
Ab 1874 war Lehnarten außerdem dem Standesamt Bialla (Billstein)
zugeordnet. Im Jahre 1910 zählte der Gutsort 204 Einwohner.
Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags stimmte die Bevölkerung im
Abstimmungsgebiet Allenstein, zu dem Lehnarten gehörte, am 11. Juli 1920
über die weitere staatliche Zugehörigkeit zu Ostpreußen (und damit zu
Deutschland) oder den Anschluss an Polen ab. In Lehnarten stimmten 145
Einwohner für den Verbleib bei Ostpreußen, auf Polen entfiel keine Stimme.
Am 30. September 1928 gab Lehnarten seine Eigenständigkeit auf und wurde
zusammen mit dem Nachbarort Billstein in die Landgemeinde Judzicken (1938
bis 1945 Wiesenhöhe, polnisch Judziki) eingemeindet.
In Kriegsfolge kam Lehnarten 1945 mit dem gesamten südlichen Ostpreußen zu
Polen und trägt seitdem die polnische Namensform „Lenarty“. Heute ist der
Ort Sitz eines Schulzenamtes (polnisch sołectwo) und somit eine Ortschaft im
Verbund der Stadt- und Landgemeinde Olecko (Marggrabowa, 1928 bis 1945
Treuburg) im Powiat Olecki (Kreis Oletzko, 1933 bis 1945 Kreis Treuburg),
bis 1998 der Woiwodschaft Suwałki, seither der Woiwodschaft Ermland-Masuren
zugehörig.
Religionen
Lehnarten war bis 1945 in die evangelische Pfarrei Mierunsken/Eichhorn
(polnisch Mieruniszki/Szczecinki) – Pfarrsprengel Mierunsken – in der
Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union sowie in die
katholische Pfarrkirche Marggrabowa/Treuburg im Bistum Ermland eingepfarrt.
Heute gehören die katholischen Einwohner Lenartys zur Pfarrkirche in Judziki
(Judzicken, 1938 bis 1945 Wiesenhöhe) im Bistum Ełk der Römisch-katholischen
Kirche in Polen. Die evangelischen Kirchenglieder orientieren sich zur
Pfarrei Suwałki mit der Filialkirche in Gołdap in der Diözese Masuren der
Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen.
Verkehr
Lenarty liegt an einer Nebenstraße, die Mieruniszki (Mierunsken, 1938 bis
1945 Merunen) an der Woiwodschaftsstraße DW 652 (Teilstück der deutschen
Reichsstraße 137) mit Sedranki (Seedranken) an der Landesstraße DK 65
(Reichsstraße 132) und der Woiwodschaftsstraße DW 653 (1939 bis 1944:
Reichsstraße 127) verbindet. Außerdem führt von Biała Olecka (Billstein, bis
1903: Bialla) eine Nebenstraße direkt nach Lenarty.
Bis 1945 war Lehnarten Bahnstation an der Bahnstrecke Marggrabowa-Garbassen
(polnisch Olecko–Garbas Drugi) der Oletzkoer (Treuburger) Kleinbahnen, die
kriegsbedingt ihren Betrieb eingestellt haben.
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lenarty
Rittergut Lehnarten
Das Gut des Dorfes wurde mit dem am Flüsschen Weiss (Biala) gelegenen Land
Lehnarten im 16. Jh. von Herzog Albrecht als Gut Kujawa einem Balthasar
Zenger verliehen. Im 17. und 18. Jh. gehörte es den Familien Krainski,
Wieckowski und Ciesielski und wurde danach zum Vorwerk eines größeren
Landbesitzes gemacht.
Um die Wende vom 19. zum 20. Jh., als das Gut der Familie Tolsdorff und
Ilse
Wachsmann,
geb. von Lenski (*1884+1943, Witwe von Theodor Tolsdorff sen. *1872+1919), gehörte, umfasste es einen Landbesitz von 687 ha und
besaß eine Brennerei und große Gemüse- und Obstbaumanlagen.
Heute ist das früher eindrucksvolle Gutshaus aus der 1. Hälfte des 19. Jhs.,
auf einer Anhöhe gelegen, leider sehr verwahrlost und von dem ehemaligen
Landschaftspark mit Teich ist auch nicht viel geblieben. Eine Lindenallee
führt vom Gutshof zu dem östlich gelegenen Familienfriedhof der
Gutsbesitzer.
Eigentümer heute ist die AWRSP (Staatliche Agentur für Landwirtschaftliche
Immobilien).
vgl.
https://www.ostpreussen.net/ostpreussen/orte.php?bericht=63
Theodor Tolsdorff
Theodor Tolsdorff (* 3. November 1909 auf Gut
Lehnarten;
† 25. Mai 1978 in Dortmund) war ein deutscher Generalleutnant der Wehrmacht.
Herkunft und Ausbildung
Theodor Tolsdorff wurde als Sohn des Rittergutsbesitzers Theodor Tolsdorff
sen. (*1872+1919), oo 26.09.1902 in Lehnarten, und dessen Ehefrau Ilse von
Lenski (*1884+1943) auf dem
elterlichen Gut in Lehnarten (Kreis Oletzko im nordöstlichen Masuren)
geboren. Er erlernte anfangs die Landwirtschaft und war in diesem Beruf
tätig.
Militärische Laufbahn
Vorkriegszeit
Theodor Tolsdorff trat am 1. Oktober 1934 als Freiwilliger in das
Infanterie-Regiment 1 der Reichswehr (ab 1935: Wehrmacht) in Insterburg ein.
Am 1. Juni 1936 wurde er zum Leutnant und am 1. Oktober 1938 zum
Oberleutnant befördert.
Krieg gegen Polen
Seit dem 1. März 1939 Chef der 14. Kompanie des Infanterie-Regiments 22 der
1. Infanterie-Division, führte er diese Einheit im Polenfeldzug. Während der
Kämpfe um die Bunkerlinie Góra Kamieńska wurde er an der Schulter verwundet
und mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Im Laufe des
Westfeldzuges brach seine Wunde wieder auf, und Tolsdorff blieb von August
bis zur endgültigen Heilung im Oktober 1940 im Lazarett in Wuppertal.
Krieg gegen die Sowjetunion
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 kämpfte er mit seiner
Kompanie im Baltikum. Ende November 1941 wurde er erneut schwer verwundet
und verbrachte die nächsten Monate wiederum im Lazarett. Am 1. Dezember 1941
wurde er zum Hauptmann befördert, am 4. Dezember 1941 erhielt er das
Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.
Am 20. April 1942 kehrte er zu seiner Einheit zurück und wurde nur kurze
Zeit später bei den Kämpfen südlich von Schlüsselburg so schwer verwundet,
dass er einen Teil seines rechten Fußes verlor. Er blieb bei der Truppe und
wurde während der Kämpfe im Wolchow-Gebiet mit dem Deutschen Kreuz in Gold
ausgezeichnet. Am 16. August 1942 übernahm er vertretungsweise die
Führung des I. Bataillons des Infanterie-Regiments 22, wurde jedoch bald
durch einen Kopfschuss erneut schwer verwundet.
Nach seiner Genesung übernahm Tolsdorff am 1. Januar 1943 bei gleichzeitiger
Beförderung zum Major das I. Bataillon des Füsilier-Regiments 22, mit dem er
an den Ladoga-Schlachten im Nordabschnitt der Ostfront teilnahm. Für die
Leistung seines Bataillons während der Dritten Ladoga-Schlacht erhielt er am
15. September 1943 das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Ab dem 1. November
1943 führte er das Füsilier-Regiment 22 in der Ukraine. Während der Kämpfe
südlich der westukrainischen Stadt Winniza (→Dnepr-Karpaten-Operation)
erhielt er einen Bauchschuss. Im Lazarett erreichte ihn am 1. April 1944
seine Beförderung zum Oberstleutnant.
Im Juni 1944 wurde Tolsdorff als Taktiklehrer an die Fahnenjunkerschule Metz
versetzt. Nach dem Beginn der für die Deutschen verheerenden sowjetischen
Sommeroffensive (→Operation Bagration) übernahm er jedoch am 1. Juli 1944
wieder das Kommando des Füsilier-Regiments 22 in Litauen. Dieses Regiment
stellte den Kern einer ad hoc zusammengestellten Kampfgruppe, die die
Besatzung der zum „Festen Platz“ erklärten Stadt Wilna verstärken sollte.
Die Deutschen mussten dabei gegen die sowjetische 5. Garde-Panzer-Armee und
die 11. Garde-Armee, sowie Kräfte der polnischen Armija Krajowa (AK)
antreten, die die Kontrolle über die Stadt vor der Roten Armee gewinnen
wollten. Die AK-Kämpfer verhinderten unter eigenen schweren Verlusten das
Vordringen der Kampfgruppe Tolsdorff nach Wilna. Tolsdorff ließ daraufhin
die eigenen Kräfte in einem Kessel zur Verteidigung übergehen. Nachdem der
hauptsächlich aus Fallschirmjägern bestehenden und insgesamt 4000 Soldaten
umfassenden Restbesatzung von Wilna der Rückzug auf die eigenen Linien
erlaubt wurde, konnte diese sich am 13. Juli 1944 bis zur Gruppe von
Tolsdorff durchschlagen. Tolsdorffs Kampfgruppe wurde wiederum durch einen
zeitgleichen Angriff der 3. deutschen Panzerarmee aus der Einschließung
durch polnische und sowjetische Truppen befreit. Von den 4000 in Wilna
eingeschlossenen Soldaten hatten 3000 den Ausbruch überlebt. Für sein
Aushalten in der kritischen Lage vor der litauischen Hauptstadt erhielt Tolsdorff am 18. Juli 1944 bei gleichzeitiger Beförderung zum Oberst das
Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern und den Beinamen „Der Löwe von
Wilna“.
Krieg im Westen
Im August 1944 nahm Tolsdorff an einem Divisionsführer-Lehrgang in
Hirschberg teil und erhielt am 1. September 1944 den Auftrag, die 340.
Volksgrenadier-Division aus der ehemaligen 340. Infanterie-Division
aufzustellen. Mit dieser kämpfte er zunächst an der Westfront im Raum
Aachen-Jülich und nahm später als Teil der 5. Panzerarmee an der
Ardennenoffensive teil. Nach einigen Anfangserfolgen blieb die Division
schließlich vor Bastogne liegen und musste sich schwer angeschlagen auf das
rechte Rheinufer zurückziehen.
Am 30. Januar 1945 wurde Tolsdorff zum Generalmajor befördert, am 16. März
1945 zum Generalleutnant. Er war damit der jüngste kommandierende
Generalleutnant des deutschen Heeres. Gleichzeitig wurde ihm das Ritterkreuz
mit Eichenlaub und Schwertern und Brillanten verliehen
(vgl. Tim Tolsdorff, Eichenlaub und Fichtenstamm, Märkische Allgemeine vom
13.11.2010).
Am 1. April 1945 übernahm Tolsdorff die Führung des LXXXII. Armeekorps in
Bayern. Unter Bedrängnis der heranrückenden US-Truppen zog sich Tolsdorff
mit seinem Korps in das oberbayerische Dorf Eisenärzt bei Traunstein zurück.
Der Ort sollte nach Auffassung der Militärs gegen die bereits kurz vor
Siegsdorf stehenden Amerikaner verteidigt werden.
Am 3. Mai 1945, also wenige Tage vor der bedingungslosen Kapitulation,
verfolgte der beurlaubte Hauptmann Franz Xaver Holzhey die Mobilisierung der
Truppen und Errichtung von Panzerbarrikaden vor Eisenärzt. Besorgt um den
Verlust weiterer Menschenleben und der verwundeten Zivilisten, die im
örtlichen Schwesternheim, einem Münchner Auslagekrankenhaus, betreut wurden,
stellte Holzhey ein Rot-Kreuz-Schild am Ortsrand auf, um einen Beschuss
durch die Amerikaner zu verhindern. Hauptmann Holzhey wurde umgehend
Tolsdorff vorgeführt und von ihm ohne ordentliche Anhörung und Ausschluss
von Entlastungszeugen wegen „feiger Übergabe“ zum Tode verurteilt (vgl
Tim Tolsdorff, Erschossen am Fichtenstamm, Märkische Allgemeine vom
20.11.2010). Das sofort bestellte Exekutionskommando widersetzte
sich zunächst Tolsdorffs Hinrichtungsbefehl, indem sie an Holzhey
vorbeischossen. Daraufhin griff Tolsdorff selbst zur Waffe und tötete
Holzhey zwei Stunden bevor US-Truppen nach Eisenärzt vorrückten. Eisenärzt
wurde durch die Rot-Kreuz-Tafel vor dem Beschuss der Amerikaner bewahrt und
kampflos eingenommen. Tolsdorff gelang zunächst die Flucht aus dem Ort. Am
8. Mai 1945 endete diese in amerikanischer Gefangenschaft, aus der er am 9.
Mai 1947 entlassen wurde.
Privates und Nachkriegszeit
Tolsdorff war mit Eleonore, geborene van der Berk (* 6. September 1921; †
15. April 1996) verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor.
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft am 9. Mai 1947 arbeitete
Tolsdorff in der Speditionsfirma seines Schwiegervaters. Ab 1960 war er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31.
Dezember 1974 in der Deutschen Asphalt AG (heute Teil der Strabag) tätig.
Mitte der fünfziger Jahre wurde Tolsdorff wegen der Hinrichtung des
Hauptmanns Franz Xaver Holzhey (Hinrichtung wg. Aufstellen von
Rot-Kreuz-Schildern vor Geschützstellungen) kurz vor Kriegsende angeklagt.
Im ersten Verfahren wurde er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. In
einem Revisionsverfahren hob der Bundesgerichtshof das Urteil mit der
Begründung auf, Tolsdorff habe im Fall Holzhey das damals geltende
Militärstrafrecht beachtet, und verwies das Verfahren zurück an das
Landgericht Traunstein. Im darauf folgenden zweiten Verfahren wurde
Tolsdorff am 24. Juni 1960 freigesprochen.
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Tolsdorff
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