Montreal
Als der französische Seefahrer Jacques Cartier im Jahr 1535 als erster Europäer die Gegend erforschte, lebten Sankt-Lorenz-Irokesen auf der Insel. 1642 gründeten Paul Chomedey de Maisonneuve und Jeanne Mance das Fort Ville-Marie, eine katholische Missionsstation. Daraus entwickelte sich in der Folge die Siedlung Montreal, die 1760 unter britische Herrschaft kam. Montreal erhielt 1832 die Stadtrechte. Die Stadt wuchs rasch und entwickelte sich zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des Landes, verlor aber im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts diese führende Rolle an Toronto. Bedeutende Ereignisse von weltweiter Ausstrahlung waren die Weltausstellung Expo 67 und die Olympischen Sommerspiele 1976.
Die Wirtschaft Montreals ist stark diversifiziert. Wichtige Pfeiler des Dienstleistungssektors sind Finanzdienstleistungen, Medien, Handel und Design. Von großer Bedeutung ist auch der Tourismus, dies aufgrund der Sehenswürdigkeiten und des vielfältigen kulturellen Angebots, das neben Museen auch zahlreiche Festivals in den Bereichen Film, Theater und Musik umfasst. Mehr als 60 internationale Organisationen haben ihren Sitz in Montreal. Im Industriesektor sind Luftfahrt-, Pharma- und Spitzentechnologieunternehmen vorherrschend. Mit vier Universitäten und mehreren weiteren Hochschulen ist Montreal ein bedeutender Bildungsstandort. Außerdem ist die Stadt ein Knotenpunkt im Schienen- und Straßennetz und verfügt darüber hinaus über den größten Binnenhafen auf dem amerikanischen Kontinent.
Mit einer Bevölkerungszahl von 1.649.519 Einwohnern (Stand: 2011) ist Montreal die zweitgrößte Stadt Kanadas nach Toronto und die größte der Provinz Québec. Die Verwaltungsregion, die alle Gemeinden auf der Insel umfasst, zählt 1.886.481 Einwohner (2011). Der Ballungsraum Communauté métropolitaine de Montréal, der urbane Gebiete im näheren Umkreis miteinbezieht, zählt 3.824.221 Einwohner (2011). Französisch ist Montreals Amtssprache und die Hauptsprache von 56,9 % der Bevölkerung, während 18,6 % hauptsächlich Englisch sprechen. Der Rest entfällt auf verschiedene Sprachen von Einwanderern, womit Montreal eine multikulturelle Bevölkerung besitzt.
Montreal ist die zweitgrößte Stadt der Welt nach Paris, in der Französisch als Muttersprache gesprochen wird. Montreal gehört auch weltweit zu den größten Städten, in denen Französisch die offizielle Sprache ist. Die Stadt stand früher an zweiter Stelle nach Paris, hat aber diesen Rang in den letzten Jahren an Kinshasa und Abidjan abgegeben.
Topografie und Geologie
Montreal liegt im Südwesten der Provinz Québec, knapp 60 Kilometer östlich der Nachbarprovinz Ontario und etwas mehr als 50 Kilometer nördlich der Grenze zu den USA. Die Provinzhauptstadt Québec ist 233 Kilometer entfernt im Nordosten, die Bundeshauptstadt Ottawa 166 Kilometer entfernt im Westen. In südwestlicher Richtung sind es 504 Kilometer nach Toronto, in südöstlicher Richtung 404 Kilometer nach Boston und in südlicher Richtung 533 Kilometer nach New York.
Topografie und Geologie
Der überwiegende Teil des Stadtgebiets befindet sich auf der Île
de Montréal, der mit Abstand größten Insel im Hochelaga-Archipel.
Die 499 km² große Insel, die annähernd die Form eines Bumerangs
aufweist, ist 50 Kilometer lang und bis zu 16 Kilometer breit.
Auf ihrer Süd- und Ostseite wird die Île de Montréal vom
Sankt-Lorenz-Strom (frz. Fleuve Saint-Laurent) umflossen, einem
der mächtigsten Flüsse Nordamerikas. Die westliche und nördliche
Begrenzung bildet der Rivière des Prairies, einer von drei
Mündungsarmen des Ottawa (frz. Rivière des Outaouais). Die
großen Flüsse verbreitern sich an zwei Stellen zu Seen, der
Ottawa im Westen zum Lac des Deux Montagnes, der
Sankt-Lorenz-Strom im Süden zum Lac Saint-Louis. Eine weitere
bedeutende Wasserstraße ist der 14,5 Kilometer lange
Lachine-Kanal im Süden der Insel, der zur Umgehung der
Lachine-Stromschnellen gebaut wurde. Der Sankt-Lorenz-Seeweg,
der den Lachine-Kanal 1959 überflüssig machte, erstreckt sich
knapp außerhalb der Stadtgrenze dem Sankt-Lorenz-Strom entlang.
Ein kleiner Teil des Stadtgebietes erstreckt sich über mehrere
vorgelagerte Inseln. Die wichtigsten sind die Île Sainte-Hélène,
die Île Notre-Dame und die Île des Sœurs im Osten sowie die Île
Bizard im Westen. Knapp außerhalb der Stadtgrenzen befinden sich
unter anderem die Île Jésus im Nordwesten sowie die Île
Sainte-Thérèse und die Îles de Boucherville im Nordosten. Auf
dem Festland besitzt Montreal keine Gebiete.
Im Zentrum der ansonsten überwiegend flachen Île de Montréal
ragt der Mont Royal auf, ein aus vulkanischem Gabbrogestein
bestehender Hügelzug mit drei Gipfeln auf einer Höhe von 233,
211 und 201 Metern. Der westlichste der Montérégie-Hügel
entstand in der Kreidezeit vor rund 125 Millionen Jahren durch
Intrusion von magmatischem Gestein und Hornfels. Durch Erosion
wurden die umliegenden, bis zu zwei Kilometer dicken Schichten
aus Sedimentgesteinen im Laufe der Jahrmillionen abgetragen.
Westlich und nördlich des Mont Royal lagerten sich auf dem Grund
von Urmeeren mächtige Kalksteinschichten ab. Diese wurden bis
weit ins 20. Jahrhundert hinein in zahlreichen Steinbrüchen
abgebaut und überwiegend für den Häuserbau verwendet.
Ansonsten herrscht Geschiebemergel vor, den vorstoßende und
zurückweichende Gletscher während der Wisconsin Glaciation
ablagerten. In der Schlussphase der Kaltzeit, vor rund
13.000 bis 10.000 Jahren, lag das Sankt-Lorenz-Tal unter dem
Meeresspiegel im Champlainmeer. Dieser seichte Meeresarm des
Atlantiks verschwand allmählich aufgrund der postglazialen
Landhebung.
Nachbargemeinden
Das Stadtgebiet ist zu mehr als drei Vierteln von Wasserflächen
umgeben. Nachbargemeinden im Südwesten der Île de Montréal sind
Dollard-Des Ormeaux, Dorval, Kirkland, Sainte-Anne-de-Bellevue
und Senneville. Innerhalb des Stadtgebietes gibt es sechs
Enklaven. Es sind dies die Gemeinden Côte-Saint-Luc, Hampstead,
Montréal-Est, Montréal-Ouest, Mont-Royal und Westmount.
Im Nordwesten, auf der anderen Seite des Rivière des Prairies
auf der Île Jésus, liegt die Stadt Laval, im Norden die Gemeinde
Charlemagne. Westlich der Île Bizard, am gegenüberliegenden Ufer
des Lac des Deux Montagnes, liegen Deux-Montagnes,
Sainte-Marthe-sur-le-Lac und Pointe-Calumet. Im Osten und Süden,
entlang dem Sankt-Lorenz-Strom, reihen sich folgende Gemeinden
aneinander: Varennes, Boucherville, Longueuil, Saint-Lambert,
Brossard, La Prairie, Candiac, Sainte-Catherine und Kahnawake
(ein Reservat der Mohawk).
Schneebedeckte Straße im
Stadtbezirk Le Plateau-Mont-Royal
Klima
Montreal liegt im
Übergangsbereich verschiedener klimatischer Regionen.
Üblicherweise wird das Klima als boreal und humid bezeichnet,
was der effektiven Klimaklassifikation Dfb entspricht. Die
Sommer sind kurz und feuchtheiß mit einer durchschnittlichen
Höchsttemperatur von 26 °C. Dabei können die Temperaturen an
einzelnen Tagen auch weit über 30 Grad Celsius steigen, wobei
durchgehend eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit vorherrscht. Der
Winter ist von sehr kaltem, schneereichem und windigem Wetter
geprägt, bei länger anhaltenden Frostperioden bis unter −20 °C.
Der Frühling und der Herbst sind mild, es können aber starke
Temperaturschwankungen auftreten. Bekannt sind Montreal und die
Umgebung für den Indian Summer, der vor allem an warmen,
sonnigen Herbsttagen mit frostigen Nächten zum Ausdruck kommt.
Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt rund 980 mm. In den
Monaten November bis April fällt durchschnittlich etwa 220 cm
Schnee, wobei an 33 Tagen die Schneedecke mehr als 20 cm dick
ist. Gewitter können vom späten Frühling bis zum frühen Herbst
auftreten, Ausläufer von Tropenstürmen bringen starke Regenfälle
mit sich. Die Sonnenscheindauer beträgt jährlich über 2000
Stunden. Die tiefste jemals gemessene Temperatur betrug −37,8 °C
am 15. Januar 1957, die höchste 37,6 °C am 1. August 1976. Die
größte Regenmenge an einem Tag war 94 mm am 8. November 1996,
die größte Neuschneemenge 102 cm am 12. März 1971.
Fauna und Flora
In der Stadt gibt es zahlreiche
Grünflächen, insbesondere in den Uferzonen, auf der Île Bizard
und auf dem Mont Royal. Sie weisen einen bedeutenden Baumbestand
auf, der überwiegend aus Laubwald besteht. Am häufigsten kommen
Spitzahorne, Silber-Ahorne, Zucker-Ahorne, Amerikanische Linden,
Winterlinden, Gleditschien, Rot-Eschen, Weiß-Eschen, Sibirische
Ulmen und Zürgelbäume vor. Die Stadt verfügt seit 1948 über
eine eigene Baumschule für die Aufzucht von Jungbäumen und
Sträuchern, die später in den Parks und Straßen gepflanzt
werden. Sie befindet sich in L’Assomption, etwa 30 Kilometer
nördlich des Stadtzentrums.
Verschiedene Tierarten haben sich an das Leben in urbaner
Umgebung und an die harten Winter angepasst. Zu den am
häufigsten vorkommenden Arten gehören Waschbären,
Streifenskunks, Grauhörnchen und Waldmurmeltiere. Darüber
hinaus werden vermehrt Rotfüchse und Kojoten beobachtet.
Die 17 bedeutendsten Grünflächen Montreals werden unter der
Bezeichnung Grands parcs de Montréal zusammengefasst. Dazu
gehören Parkanlagen und Naturparks, die zusammen knapp 1800
Hektar groß sind. Hinzu kommen Dutzende kleinere Parkanlagen
und Grünflächen, die von den Stadtbezirken verwaltet werden. Ein
bedeutendes Naturreservat knapp außerhalb des Stadtgebietes ist
der Parc national des Îles-de-Boucherville auf der gleichnamigen
Inselgruppe im Sankt-Lorenz-Strom.
Geschichte
Herkunft des Namens
Karte der Île de Montréal von Jacques-Nicolas Bellin (1744), auf der die Stadt noch als Ville-Marie bezeichnet wird.
Der Name der Stadt Montreal
leitet sich vom Mont Royal (französisch: „königlicher Berg“) ab.
Namensgeber war Jacques Cartier, der 1535 den markanten Hügelzug
auf der Insel entdeckte und ihn zu Ehren von König François I.
benannte. Als der venezianische Kartograf Giacomo Gastaldi 1556
für die von Giovan Battista Ramusio herausgegebene Buchreihe
Navigationi et Viaggi eine auf Cartiers Aufzeichnungen
basierende Karte anfertigte, gab er dem Hügelzug die Bezeichnung
Monte Real. François de Belleforest verwendete in La
Cosmographie universelle de tout le monde, seiner 1575
erschienenen Kosmografie, als erster die davon abgeleitete
Namensform Montréal. Nach Erscheinen einer 1612 von Samuel de
Champlain angefertigten Karte übertrug sich der Name auf die
gesamte Insel. Die 1642 gegründete erste französische Siedlung
auf der Insel hieß Ville-Marie. Dieser Name wurde allmählich
durch Montréal verdrängt und fiel in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts außer Gebrauch.
Nach Ende der französischen Herrschaft 1760 behielt die Stadt
ihren Namen bei, die englische Schreibweise kommt jedoch ohne
Akut aus. Die Stadtbewohner werden auf Englisch als Montrealers
bezeichnet, auf Französisch als Montréalais (maskulin) bzw.
Montréalaises (feminin), wobei ursprünglich die Form
Montréalistes geläufig war. In den irokesischen Sprachen heißt
die Stadt Tiohtià:ke, in den Algonkin-Sprachen Moniang. Der
ursprüngliche Stadtname wird heute für den zentralen Bezirk
Ville-Marie verwendet.
Frühgeschichte und Entdeckung
Die frühesten Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen auf dem
Gebiet der heutigen Provinz Québec sind rund zehn Jahrtausende
alt. Bereits um 5000 v. Chr. lassen sich die Schwerpunkte der
kulturellen Entwicklung an den Großen Seen und am
Sankt-Lorenz-Strom fassen (Proto-Laurentian). Daraus entwickelte
sich eine weiträumige Regionalkultur, die als Middle Great
Lakes-St. Lawrence-Kultur bezeichnet wird. Die ältesten Spuren
auf dem Gebiet von Montreal stammen aus der Zeit um 2000 v. Chr.
Zwischen 1000 v. und 500 n. Chr. spricht man von der Frühen
Woodland-Periode, die durch Tongefäße und den Gebrauch von Pfeil
und Bogen gekennzeichnet ist. Der Anbau von Kürbissen prägte
zunehmend die Kultur und ermöglichte eine sesshaftere
Lebensweise von Gruppen, die als Vorgänger von Algonkin und
Irokesen gelten. Im Stadtteil Lachine kamen 2009 an der
Fundstelle LeBer-LeMoyne rund 32.000 Artefakte zum Vorschein,
die auf zwei Siedlungsphasen hinweisen. Die ältere dauerte von
etwa 500 bis 1200, die jüngere setzte zwischen 1200 und 1350
ein. Im Jahr 2010 gab es auf dem Stadtgebiet Montreals
insgesamt 125 archäologische Fundstellen, die vom Bureau du
patrimoine betreut werden.
Vereinfachend rekonstruierte Häuser aus einem Irokesendorf südwestlich von Montreal
Entlang dem Sankt-Lorenz-Strom siedelten die Sankt-Lorenz-Irokesen, die zusammen mit den Huronen und den Irokesen einer gemeinsamen Sprachfamilie angehörten. Um 1000 begannen sie verstärkt von Gartenwirtschaft zu leben, vor allem von Kürbis, Mais und Bohnen. Sie erbauten mit Palisaden befestigte und von Feldern umgebene Dörfer, von denen einige über tausend Einwohner zählten. Dabei bevorzugten sie erhöhte Standorte, um vor Überschwemmungen geschützt zu sein. Ließ die Fruchtbarkeit der Böden nach, so zerlegten sie ihre aus Langhäusern bestehenden Dörfer und bauten sie an einem anderen Standort wieder auf. Südwestlich von Montreal wird ein Dorf der Sankt-Lorenz-Irokesen ausgegraben, das aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammt.
Idealisierte Darstellung
Hochelagas von Giovan Battista Ramusio und Giacomo Gastaldi
(1556), gemäß Jacques Cartiers Aufzeichnungen
Der erste Europäer, der in die
Gegend der heutigen Stadt gelangte, war der französische
Seefahrer Jacques Cartier. Am 2. Oktober 1535 entdeckte er am
Fuße des Mont Royal, in einiger Entfernung vom Flussufer, das
befestigte Dorf Hochelaga, dessen Name in der Sprache der
Einheimischen (Laurentisch) „Biberdamm“ bedeutete. Im Jahr 1603
begab sich Samuel de Champlain auf Cartiers Spuren. Die
Sankt-Lorenz-Irokesen und ihre Siedlungen waren jedoch
mittlerweile verschwunden, wofür es mehrere Theorien gibt:
Konflikte mit benachbarten Stämmen, die Auswirkungen der von
Europäern eingeschleppten Epidemien oder eine Wanderungsbewegung
in Richtung der Großen Seen. Archäologische Anhaltspunkte und
der historische Kontext deuten am ehesten auf kriegerische
Auseinandersetzungen mit anderen Irokesenstämmen hin,
insbesondere den Mohawk. Die wenigen Überlebenden scheinen von
diesen oder von den Algonkin assimiliert worden zu sein.
Nach weiteren Erkundungsreisen in Neufrankreich kehrte Champlain
im Juni 1611 zurück und richtete einen temporären
Pelzhandelsposten ein. Als Standort wählte er eine Landzunge an
der Mündung des Flüsschens Petite Rivière in den Strom, die
Pointe-à-Callière. Die vorgelagerte Île Sainte-Hélène merkte er
als geeigneten Standort für eine allfällige Stadtgründung vor,
aus diesen Plänen ergab sich jedoch letztlich nichts.
Französische Besiedlung
Die Compagnie de la Nouvelle France, die das Handelsmonopol in
Neufrankreich besaß, übertrug 1636 die Grundherrschaft (Seigneurie)
über die Île de Montréal an Jean de Lauzon, einen späteren
Gouverneur von Neufrankreich. Er nutzte sein Vorrecht aber
nicht, weshalb die Seigneurie an die Société Notre-Dame de
Montréal übertragen wurde. Diese 1639 gegründete religiöse
Laiengemeinschaft wollte im Rahmen eines idealistisch-utopischen
Siedlungsprojekts eine katholische Missionsstation aufbauen, um
die Indianer zu bekehren. Im Auftrag der Gemeinschaft segelten
der Offizier Paul Chomedey de Maisonneuve und die
Krankenpflegerin Jeanne Mance mit rund 40 Kolonisten nach
Neufrankreich. Sie gründeten am 17. Mai 1642 an der
Pointe-à-Callière das Fort Ville-Marie, benannt nach der
Jungfrau Maria.
Das Seminar der Sulpizianer, erbaut 1684–1687, ist das älteste erhalten gebliebene Gebäude Montreals.
In den ersten Jahren ihres Bestehens war die Kolonie häufig Angriffen der Irokesen ausgesetzt, welche die Pelzhandelswege gewaltsam unter ihre Kontrolle bringen wollten. Die Bewohner waren gezwungen, fast ständig hinter der Befestigung zu leben, weshalb die Landwirtschaft sich kaum entwickeln konnte. Zudem gelang es der Société Notre-Dame de Montréal entgegen ihrer Absicht kaum, Indianer zu bekehren. Erst als Maisonneuve 1653 und 1659 in Frankreich rund zweihundert weitere Kolonisten anwarb, konnte das langfristige Überleben von Ville-Marie gesichert werden. Zu den Neuankömmlingen gehörte Marguerite Bourgeoys, die 1982 heiliggesprochene Begründerin der ersten Schule und der Congrégation de Notre-Dame de Montréal.
König Louis XIV. unterstellte
Neufrankreich 1663 direkt der französischen Krone. Im selben
Jahr löste sich die Société Notre-Dame de Montréal auf und ihre
Grundherrschaftsrechte gingen an die Sulpizianer über. Der Orden
nutzte seine größeren Ressourcen, um die Infrastruktur der Stadt
auszubauen und die Insel für die Landwirtschaft zu erschließen.
Weitere Orden von Bedeutung für die Entwicklung der Stadt waren
die Jesuiten und die franziskanischen Rekollekten.
Militärische Interventionen des nach Neufrankreich entsandten
Carignan-Salières-Regiments drängten 1665/66 die unmittelbare
Gefährdung durch die Irokesen vorläufig zurück. Montreal
entwickelte sich in der Folge zu einem bedeutenden Zentrum des
Pelzhandels, denn die Stadt lag strategisch günstig am
Ausgangspunkt verschiedener Handelsrouten, die über die Großen
Seen bis ins Tal des Mississippi und in die westliche Prärie
reichten. 1687 wurde die Stadt mit einer Holzpalisade
befestigt.
Trotz militärischer Präsenz drangen die Irokesen im Verlaufe der
Biberkriege immer wieder in Richtung Montreal vor. Mehrere
Dutzend Siedler kamen ums Leben, als am 5. August 1689, kurz
nach Beginn des King William’s War, das nahe gelegene Dorf
Lachine überfallen wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren
die Indianer nicht nur durch Kriege und Epidemien stark
dezimiert worden, sondern waren aufgrund der übermäßigen
Bejagung der Pelztiere auch wirtschaftlich geschwächt. Im August
1701 unterzeichneten Vertreter von 39 Stämmen den Großen Frieden
von Montreal, mit dem sie die Einstellung aller Feindseligkeiten
untereinander und gegen die Franzosen vereinbarten.
Im Queen Anne’s War (1702–1713) und im King George’s War
(1744–1748) konnte Großbritannien unter Ausnutzung der höheren
Einwohnerzahl und Produktionskapazität seiner Kolonien die
Machtverhältnisse in Nordamerika zu seinen Gunsten verschieben.
In diesem Zusammenhang errichteten die Franzosen zwischen 1717
und 1738 die Stadtmauern von Montreal. In den 1730er Jahren, als
Montreal über 3.000 Einwohner zählte, entstanden die ersten
Vorstädte. Der 1737 fertiggestellte Chemin du Roy
ermöglichte einen intensiveren Warenaustausch mit der Stadt
Québec, da der im Winter zufrierende Sankt-Lorenz-Strom kein
Hindernis mehr darstellte.
Britische Herrschaft
Britische Herrschaft
Französische Truppen ergeben sich der britischen Armee (1760).
Im Siebenjährigen Krieg konnten
sich die Briten endgültig durchsetzen. Nach der Eroberung
Québecs am 13. September 1759 war Montreal isoliert. Die
Garnison ergab sich am 8. September 1760 kampflos den
zahlenmäßig überlegenen britischen Truppen. Der Frieden von
Paris (1763) besiegelte das Ende Neufrankreichs und den Beginn
der britischen Herrschaft. Der 1774 in Kraft getretene Quebec
Act garantierte die Religionsfreiheit und stellte den Code civil
im Privatrecht wieder her. Auf diese Weise sicherten sich die
Briten die Loyalität der Großgrundbesitzer und des Klerus.
Am 13. November 1775 nahm die Kontinentalarmee die Stadt während
der (letztlich erfolglosen) Invasion Kanadas ein. Die Montrealer
feierten die aufständischen Amerikaner zunächst als Befreier.
Doch die Besatzer machten sich mit umstrittenen Maßnahmen,
darunter die Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen mit
Papiergeld anstatt mit Gold sowie ein Verbot des Handels mit
Indianern, rasch unbeliebt. Eine Delegation des
Kontinentalkongresses unter der Leitung von Benjamin Franklin
versuchte im April und Mai 1776 vergeblich, die Bevölkerung
wieder für ihre Sache zu gewinnen. Am 15. Juni 1776 zog die
Kontinentalarmee aus Montreal ab. Zwei Tage später brachten die
Briten die Stadt wieder unter ihre Kontrolle.
Der Lachine-Kanal um 1850
Montreal blieb unter britischer Herrschaft organisatorischer
Mittelpunkt des Pelzhandels. Die frankokanadischen Händler
wurden allmählich an den Rand gedrängt, da sie kaum mehr
Transportverträge und Expeditionsfinanzierungen erhielten. An
ihre Stelle traten überwiegend schottische Händler. Diese
bündelten ihre Interessen in der 1779 gegründeten North West
Company, die der Hudson’s Bay Company (HBC) Konkurrenz
machte. Zwischen 1804 und 1817 wurden die Stadtmauern
abgerissen, da immer mehr Bewohner aus dem ummauerten Teil in
die Vorstädte zogen. Ab 1815 setzte eine Einwanderungswelle von
Engländern und Iren ein, die eine Stimulierung und
Diversifizierung der Wirtschaft mit sich brachte. 1817 nahm die
Bank of Montreal, die älteste Bank Kanadas, ihre Tätigkeit auf.
Die Bedeutung des Pelzhandels nahm hingegen laufend ab und 1821
fusionierte die North West Company mit der HBC. Die Montrealer
Handelshäuser setzten vermehrt auf den Export von Weizen und den
Import von Konsumgütern. Zur Umgehung der für Frachtschiffe
unpassierbaren Lachine-Stromschnellen wurde der Lachine-Kanal
erbaut, der ab 1825 den Handel mit Oberkanada erleichterte.
Ab den frühen 1830er Jahren hatte Montreal eine englischsprachige Mehrheit. Engländer und Schotten lebten überwiegend im Westen, Frankokanadier im Osten, die Iren waren in den ärmlichen Arbeitervierteln im Südwesten konzentriert. Als Verkehrssprache dominierte das Englische. 1832 erhielt Montreal den Stadtstatus und somit das Recht, sich mit einem Stadtrat und einem Bürgermeister selbst zu verwalten. Ab 1844 war Montreal Hauptstadt der Provinz Kanada, einem Zusammenschluss der Kolonien Ober- und Niederkanada. Aufgrund der Aufhebung von Schutzzöllen auf Exporte nach Großbritannien herrschte eine Wirtschaftskrise, zudem waren die politischen Verhältnisse instabil. Als das Parlament im März 1849 beschloss, sämtliche Geschädigten der Rebellionen von 1837, also auch die damaligen Aufständischen, für ihre Verluste zu entschädigen, kam es zu Protesten seitens der anglophonen Konservativen. Eine aufgebrachte Menge steckte am 25. April 1849 nach zweitägigen Straßenkämpfen den Marché Sainte-Anne, das provisorische Parlamentsgebäude in Brand, das vollständig zerstört wurde. Aufgrund der unsicheren Lage beschloss die Regierung, Toronto zur neuen Provinzhauptstadt zu machen.
Blick auf Montreal, älteste Fotografie der Stadt. McLennan Library Building, 1858.
Montrealer Geschäftsleute finanzierten den Bau der ersten Eisenbahnlinie auf kanadischem Boden; die 1836 eröffnete Champlain and St. Lawrence Railroad führte vom Südufer des Sankt-Lorenz-Stroms nach Saint-Jean-sur-Richelieu. Die erste kurze Bahnlinie auf Stadtgebiet, die 1847 eröffnete Montreal and Lachine Railroad, diente als Ergänzung zum Lachine-Kanal. Ab 1853 verband die Atlantic and St. Lawrence Railroad Montreal mit Portland, 1856 nahm die Grand Trunk Railway die Hauptstrecke nach Toronto in Betrieb. Mit der Inbetriebnahme weiterer Strecken in den folgenden Jahren entwickelte sich Montreal zu einem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt. Bis in die 1850er Jahre hinein war die rasch wachsende Stadt wiederholt von Cholera- und Typhus-Epidemien betroffen, die zahlreiche Tote forderten. Der folgenschwerste Brand ereignete sich 1852, als 1.200 Häuser zerstört und 9.000 Menschen obdachlos wurden. Wohlfahrtsverbände, Stiftungen und Hospize konnten gegen die zunehmende Verarmung zunächst kaum etwas ausrichten.
Industrialisierung und rasches Wachstum
Um 1860 war Montreal die größte
Stadt in Britisch-Nordamerika, im 1867 gegründeten Bundesstaat
Kanada das unumstrittene Zentrum von Wirtschaft und Kultur. Die
sieben Jahrzehnte zwischen 1860 und 1930 werden bisweilen als
„goldenes Zeitalter“ bezeichnet. In diesem Zeitraum nahm die
Einwohnerzahl um das Neunfache zu, von rund 90.000 auf knapp
820.000. Ursache dieser Entwicklung war die rasch
voranschreitende Industrialisierung. Insbesondere entlang dem
Lachine-Kanal und dem Sankt-Lorenz-Strom ließen sich unter
anderem folgende Wirtschaftszweige nieder: Metallverarbeitung,
Maschinenbau, Lebensmittelindustrie, Brauereien, Schuhindustrie
und Textilindustrie. Von großer Bedeutung für den
Transportsektor waren der Hafen von Montreal sowie die
Güterbahnhöfe der Grand Trunk Railway und der Canadian Pacific
Railway.
Ab 1866 war die Bevölkerung
Montreals wieder mehrheitlich französischsprachig: Die
prosperierende Industrie benötigte viele Arbeitskräfte, was
wiederum zahlreiche Bewohner ländlicher Gegenden der Provinz
Québec dazu bewog, in die Stadt zu ziehen, da sie sich hier
bessere Verdienstmöglichkeiten erhofften. Die städtische
Gesellschaft war zweigeteilt. Das anglophone Bürgertum
kontrollierte die bedeutendsten Konzerne Kanadas und unterhielt
enge Beziehungen zu Großbritannien. Der wirtschaftliche Einfluss
der frankophonen Mittelschicht beschränkte sich weitgehend auf
kleine und mittelständische Unternehmen. Die Zweiteilung
manifestierte sich ebenso in einem getrennten Bildungs- und
Gesundheitswesen. Während die anglophonen Institutionen
weitgehend säkular waren, übte die katholische Kirche in den
frankophonen Institutionen großen Einfluss aus. Ab den 1880er
Jahren ließen sich osteuropäische Juden in großer Zahl
nieder. Mit weiteren Flüchtlings- und Einwanderungswellen
kamen insbesondere Italiener, Polen und Russen in die Stadt,
aber auch Chinesen.
Durch die Eingemeindung zahlreicher Vororte in den Jahren 1883
bis 1918 erweiterte sich das Stadtgebiet um das Fünffache. Dabei
handelte es sich allerdings überwiegend um Gemeinden mit
ärmlichen Arbeitervierteln, die sich beim Ausbau der
Infrastruktur finanziell übernommen hatten. Verbunden mit den
sozialen Auswirkungen des Ersten Weltkriegs bürdete sich die
Stadt Montreal eine derart große Schuldenlast auf, dass die
Provinzregierung sie von 1918 bis 1921 unter Treuhandverwaltung
stellen musste. Die 1920er Jahre waren vom Aufschwung des
Dienstleistungssektors geprägt.
Relativer Bedeutungsverlust und Strukturwandel
Die 1929 einsetzende
Weltwirtschaftskrise hatte für Montreal schwerwiegende
Auswirkungen. Besonders stark betroffen war die Industrie, die
zu einem großen Teil auf der Verarbeitung von natürlichen
Rohstoffen basierte und somit vom Export abhängig war. Die
Arbeitslosigkeit stieg rasant an, worauf die Stadtverwaltung mit
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu reagieren versuchte.
Sinkende Steuereinnahmen und stark steigende Sozialausgaben
belasteten das Stadtbudget; erschwerend kam hinzu, dass
religiöse, soziale und erzieherische Institutionen von
Grundsteuern befreit waren. Die Stadt widerstand Forderungen von
Geschäftsleuten, die Steuern zu senken und führte 1935
stattdessen die erste Umsatzsteuer in der Provinz ein. Dennoch
verschlechterte sich die finanzielle Situation zusehends, so
dass die Stadt von 1940 bis 1944 erneut unter Treuhandverwaltung
gestellt werden musste. Die Kriegswirtschaft während des
Zweiten Weltkriegs sorgte vorübergehend für Vollbeschäftigung;
aufgrund steigender Steuereinnahmen konnte die Schuldenlast
rasch abgebaut werden.
Montreal verlor allmählich seine wirtschaftliche
Vorrangstellung. Der Außenhandel war nicht mehr auf Europa
ausgerichtet, sondern auf die Vereinigten Staaten; im
Binnenhandel spielte Westkanada eine immer größere Rolle. Das
zentral gelegene Toronto profitierte davon und stieg zum neuen
Wirtschaftszentrum auf. Nach der Eröffnung des
Sankt-Lorenz-Seewegs 1959 konnten hochseetaugliche Schiffe bis
zu den Großen Seen verkehren. Mit der ökonomischen
Neuausrichtung verbunden war auch ein Bedeutungsverlust der
anglophonen Montrealer Elite. Während der „Stillen Revolution“
in den 1960er Jahren erlebte die frankophone Gesellschaft eine
durchgreifende Modernisierung. Sie drängte den Einfluss der
katholischen Kirche zurück, übernahm die Kontrolle über die
eigene Wirtschaft und trat selbstbewusster auf. Dabei bildete
sich auch eine separatische Bewegung heraus. Die linke
terroristische Gruppierung Front de libération du Québec verübte
im Großraum Montreal zahlreiche Anschläge, bis sie 1970 im Zuge
der Oktoberkrise zerschlagen wurde. Die separatistische
Parti Québécois stellte ab 1976 erstmals die Regierung und
setzte 1977 die Charta der französischen Sprache in Kraft, die
dem Französischen den Vorrang in sämtlichen Lebensbereichen
garantiert. Bedeutende Unternehmen verlegten ihren Hauptsitz
daraufhin nach Toronto, entweder um ihre Geschäfte weiterhin auf
Englisch abwickeln zu können oder weil es ihnen an
französischsprachigem Personal mangelte.
Das Montrealer Olympiastadion
Mit der Verdrängung der Industrie durch den
Dienstleistungssektor wandelte sich das Stadtbild Montreals
grundlegend. Es entstanden zahlreiche Wolkenkratzer und das
Stadtzentrum verlagerte sich weg von der am Flussufer gelegenen
Altstadt (Vieux-Montréal) näher an den Mont Royal. Neue
Autobahnen und Brücken ermöglichten schnellere Verbindungen in
die Vororte, wobei sich der Siedlungsgürtel über den
Hochelaga-Archipel hinaus auszubreiten begann. Die
Fertigstellung des Grundnetzes der Metro Montreal in den Jahren
1966/67 ermöglichte einerseits das Entstehen der weit
verzweigten Untergrundstadt (Ville intérieure), andererseits
wurde mit dem Aushubmaterial eine neue Insel im
Sankt-Lorenz-Strom aufgeschüttet, die Île Notre-Dame. Auf dieser
sowie auf der benachbarten Île Sainte-Hélène fand 1967 die
Weltausstellung Expo 67 statt, die zugleich das Hauptereignis
der Hundertjahrfeier Kanadas war.
Als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1976 stand
Montreal ein weiteres Mal im Fokus der Weltöffentlichkeit. Ein
Boykott zahlreicher afrikanischer Staaten überschattete die
Veranstaltung. Massive Kostenüberschreitungen beim Bau des
Olympischen Dorfes und der Sportstätten im Olympiapark führten
zur Anhäufung eines Schuldenbergs in der Höhe von 1,5 Milliarden
kanadischer Dollar. Zur Begleichung der Schulden musste die
Provinz eine Sondersteuer auf Tabakwaren erheben. Das zum
Zeitpunkt der Spiele noch fehlende Dach des Olympiastadions
wurde mit elfjähriger Verspätung fertiggestellt, die Schulden
waren erst 2006 endgültig abbezahlt.
Das Wirtschaftswachstum fiel in den 1980er Jahren geringer aus
als in zahlreichen anderen kanadischen Großstädten. In den
1990er Jahren hatte sich das ökonomische Umfeld Montreals jedoch
erheblich verbessert, da neue Unternehmen und Institutionen die
traditionellen Wirtschaftszweige abzulösen begannen. 1992
feierte die Stadt ihr 350-jähriges Bestehen mit zahlreichen
kulturellen Anlässen. Die Eröffnung der zwei höchsten
Wolkenkratzer der Stadt im selben Jahr symbolisierte augenfällig
den Wiederaufschwung Montreals. Im Zuge eines umfangreichen
Stadterneuerungsprojekts zu Beginn des 21. Jahrhunderts konnten
mehrere internationale Organisationen dazu bewogen werden, ihre
Hauptsitze nach Montreal zu verlegen.
Bevölkerung
Bevölkerungsentwicklung
Am Stichtag 10. Mai 2011 ermittelte Statistics Canada folgende Einwohnerzahlen: Die Stadt Montreal zählte 1.649.519 Einwohner, die Verwaltungsregion Montreal (entspricht dem Gebiet der Stadt und von 15 weiteren Gemeinden auf der Île de Montréal) 1.886.481 Einwohner und die Metropolregion Communauté métropolitaine de Montréal 3.824.221 Einwohner. Somit ist Montreal die bevölkerungsreichste Gemeinde der Provinz und hinter Toronto die zweitgrößte Stadt Kanadas.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Bevölkerungsentwicklung gemäß den Ergebnissen der kanadischen Volkszählungen, wobei wiederum die Stadt, die Verwaltungsregion und die Metropolregion miteinander verglichen werden. Bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl kontinuierlich an. Die Volkszählung von 1966 ergab ein vorläufiges Maximum von 1.293.992 Einwohnern. Bis Ende der 1970er Jahre sank die Einwohnerzahl auf knapp über eine Million und stagnierte die folgenden zwei Jahrzehnte. Die Zunahme um rund 600.000 Einwohner zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist auf verschiedene Eingemeindungen zurückzuführen. Weitaus größere Zuwachsraten sind in der Metropolregion feststellbar: Lebten 1901 noch 82,7 % aller Einwohner auf dem Gebiet der Metropolregion in Montreal, so waren es hundert Jahre später nur noch 30,3 %. Die Eingemeindungen bewirkten eine Zunahme auf 44,6 %.Gemäß Einschätzungen von Statistics Canada werden im Jahr 2030 für die gesamte Metropolregion 4,9 Millionen Einwohner erwartet.
Sichtbare soziale Probleme
Das Problem der Obdachlosigkeit kam spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts auf, als der Wechsel von Wirtschaftskrisen und Zuwanderungswellen die Zahl der Menschen auf der Straße anwachsen ließ. Anfangs reagierten Wohltätigkeitsorganisationen und Kirchen darauf, indem sie Armenküchen, Unterkünfte und Betreuung anboten. In den 1890er Jahren bestanden mehr als ein Dutzend Obdachlosenasyle. In den 1970er Jahren wies Montreal die höchste Obdachlosenrate im Land auf. Mitte der 1980er Jahre schätzte man die Zahl der Obdachlosen auf 10.000 bis 15.000. Obwohl das Problem für jeden sichtbar wurde, stieg ihre Zahl bis 2000 auf über 28.000, von denen mehr als 12.000 seit über einem Jahr kein Dach über dem Kopf hatten. Dabei nahm der Anteil der Frauen allein zwischen 1989 und 1996 von 15 auf 20 % zu. Inzwischen sind 150 bis 200 Vollzeitkräfte angestellt, um den Obdachlosen zu helfen. Unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren viele drogen- und alkoholkrank, sie litten erheblich häufiger unter Hepatitis und anderen typischen Krankheiten.Seit 1992 erhielt die Frage der Obdachlosigkeit Priorität und das Montreal model wurde entwickelt. Zum Kern wurde das Réseau d'aide aux personnes seules et itinérantes de Montréal (RAPSIM), zu dem 60 Hilfsorganisationen zählen. Hinzu kamen ein Forschungsinstitut und die Fédération des organismes sans but lucratif d'habitation de Montréal (FOHM), der 1995 bereits 60 Häuser zur Verfügung standen.
Sprachen
Die wichtigste Sprache
Montreals ist seit der Gründung Französisch und ab etwa 1760 kam
Englisch hinzu. Zugleich ist der Gebrauch verschiedener Sprachen
vielfach ein Signum gesellschaftlicher Zugehörigkeit und
Ungleichheit. Das galt bis in die 1980er Jahre für die beiden
Hauptsprachen, und gilt bedingt auch heute noch für die weniger
häufig gebrauchten Sprachen.
Der Anteil der Einwohner französischer Muttersprache beträgt
53,6 %, jener englischer Muttersprache 12,8 %. Mit einem Anteil
von 33,1 % bilden die „Allophonen“, deren Muttersprache weder
Französisch noch Englisch ist, die zweitgrößte Gruppe. Die
bedeutendste Sprache der Einwanderer ist Italienisch (5,6 %),
gefolgt von Arabisch (4,3 %), Spanisch (3,7 %), Chinesisch (2,3
%), Haitianisch (2,1 %) und Griechisch (1,3 %).
Die Verteilung auf die Arrondissements ist sehr unterschiedlich.
Der Anteil der Frankophonen reicht von 25,8 % in Côte-des-Neiges–Notre-Dame-de-Grâce
bis 80,4 % in Mercier–Hochelaga-Maisonneuve. Am kleinsten ist
der anglophone Anteil in Rosemont–La Petite-Patrie mit 3,7 %, am
größten in Pierrefonds-Roxboro mit 33,7 %. Auffallend sind die
hohen Anteile von Italienisch in Saint-Léonard (30,7 %), von
Arabisch in Saint-Laurent (13,9 %) und von Jiddisch in Outremont
(10,1 %). In den 15 Gemeinden, die sich 2006 von Montreal
abspalteten, ist der Anteil der englischen Muttersprachler
bedeutend höher als in der Stadt (einzige Ausnahme ist das
überwiegend frankophone Montréal-Est). Hier stellen die
Anglophonen einen Anteil von 47,5 %, die Frankophonen kommen
lediglich auf 24,7 %. Den höchsten anglophonen Anteil weist
Montréal-Ouest mit 67,6 % auf, den kleinsten frankophonen Anteil
Hampstead mit 14,3 %.
Eine Besonderheit Montreals im Vergleich zu anderen kanadischen
Großstädten ist, dass über die Hälfte der Bevölkerung (56,0 %)
sowohl Französisch als auch Englisch versteht. 33,5 % verstehen
ausschließlich Französisch, 10,0 % ausschließlich Englisch und
2,7 % keine dieser Sprachen. Für 71,6 % der Erwerbstätigen
ist Französisch die vorherrschende Sprache am Arbeitsplatz, der
Anteil des Englischen beträgt 26,7 %.
Minderheiten
Die überwiegende Mehrheit der
europäisch-stämmigen Bevölkerung ist französischer, britischer,
irischer oder italienischer Herkunft. Als „sichtbare
Minderheiten“ (frz. minorités visibles, engl. visible minorities)
werden von den kanadischen Statistikbehörden jene Einwohner
bezeichnet, die nicht-europäischer Herkunft sind (davon
ausgenommen sind die Ureinwohner). In Montreal gehören 26,0 %
der Bevölkerung einer sichtbaren Minderheit an. Den größten
Anteil stellen Afrokanadier mit 7,7 %; es folgen Araber mit 4,3
%, Lateinamerikaner mit 3,4 %, Südasiaten und Chinesen mit je
3,2 % sowie Südostasiaten mit 1,9 %. Der Anteil der
Ureinwohner an der Bevölkerung beträgt weniger als ein halbes
Prozent. Im Jahr 2006 bezeichneten sich 4.285 Personen als
Angehörige einer indianischen First Nation, 2.650 als Métis und
205 als Inuit.
Seit 1835 nimmt sich die Deutsche Gesellschaft zu Montreal der
Migranten aus Deutschland an.
Religionen
Montreal ist ein bedeutendes
Zentrum der römisch-katholischen Kirche. Mit einem Anteil von
65,9 % der Bevölkerung (letzte Erhebung 2001) ist sie die
dominierende christliche Konfession. Seit der Stillen
Revolution hat sie aber markant an sozialem und politischem
Einfluss verloren. Darüber hinaus ist der Anteil der
regelmäßigen Kirchgänger in der Provinz Québec zwischen 1960 und
2008 von 90 % auf 6 % geschrumpft und ist somit der tiefste in
der westlichen Welt.
Während die katholische Kirche überwiegend Frankokanadier sowie
Einwanderer aus Irland, Polen, Italien und Lateinamerika
verbindet, sind bei den Anglophonen die Protestanten
überproportional vertreten. Ihr Anteil an der Bevölkerung
beträgt 6,0 %, wobei hier aufgrund der britischen
Kolonialtradition die Anglican Church of Canada vorherrscht,
gefolgt von der United Church of Canada. Der Anteil der
Orthodoxen beträgt 3,5 % (überwiegend griechische und russische
Einwanderer). 1,4 % gaben die Zugehörigkeit zu einer nicht näher
definierten christlichen Konfession an, 5,4 % zum Islam (vor
allem Einwanderer aus Nordafrika und dem Libanon), 2,1 % zum
Buddhismus und 1,5 % zum Hinduismus. Der Anteil der Juden an
der Bevölkerung beträgt 2,4 %, wobei starke regionale
Unterschiede bestehen. In den Arrondissements Outremont,
Côte-des-Neiges–Notre-Dame-de-Grâce und Saint-Laurent stellen
sie über ein Zehntel der Bevölkerung, in den benachbarten
Gemeinden Côte-Saint-Luc und Hampstead sogar mehr als zwei
Drittel.
Vieux-Montréal (Altstadt)
Vieux-Montréal, am Ufer des
Sankt-Lorenz-Stroms gelegen, ist der älteste Stadtteil. Seine
Grenzen entsprechen im Wesentlichen dem früheren Verlauf der
Montrealer Stadtmauer. Ein rund 250 Meter langes Teilstück wurde
in der Parkanlage Champ-de-Mars, dem ehemaligen Exerzierplatz,
freigelegt. Die Hauptverkehrsachse der Altstadt ist die Rue
Notre-Dame, die parallel dazu verlaufende Rue Saint-Jacques war
bis in die 1950er Jahre das Finanzzentrum. Der Alte Hafen (Vieux-Port)
umfasst ehemalige Pieranlagen, die durch eine Uferpromenade
verbunden sind, sowie den Uhrenturm Tour de l’Horloge.
Das vorherrschende Baumaterial der Altstadthäuser ist grauer
Kalkstein. Ältestes Bauwerk in Montreal ist das Seminar des
Sulpizianerordens (Vieux Séminaire de Saint-Sulpice), erbaut von
1684 bis 1687. Rund zwanzig Jahre jünger ist das Château Ramezay,
die ehemalige Gouverneursresidenz. Weitere herausragende
Bauwerke sind das Rathaus (Hôtel de Ville) und die Markthalle
Marché Bonsecours. Von wenigen Ausnahmen abgesehen stammen die
meisten übrigen Gebäude der Altstadt aus dem 19. Jahrhundert,
dabei handelt es sich in der Regel um Wohn-, Geschäfts- und
Lagerhäuser.
Mit der Verlagerung des Geschäftszentrums geriet die Altstadt
allmählich in eine Krise und wies Ghettoisierungsanzeichen auf.
Zu Beginn der 1960er Jahre gab es Pläne, weite Teile von
Vieux-Montréal abzureißen. Der niederländische Stadtplaner Sandy
van Ginkel konnte die Behörden davon überzeugen, die an dieser
Stelle vorgesehene Stadtautobahn in den Untergrund zu verlegen.
1964 wurde die Altstadt als arrondissement historique
(historischer Bezirk) unter Schutz gestellt, was in den
folgenden Jahren zahlreiche Restaurierungen nach sich zog.
Aufgrund der gut erhaltenen Kolonialarchitektur ist
Vieux-Montréal heute eine beliebte Touristendestination;
kopfsteingepflasterte Straßen und darauf verkehrende Kaleschen
heben das historische Flair zusätzlich hervor.
Centre-Ville (Downtown)
1000 de La Gauchetière
Die Centre-Ville ist die Downtown und der wirtschaftliche
Mittelpunkt Montreals. Hier befinden sich die meisten Hochhäuser
und alle Wolkenkratzer der Stadt. Das Gebiet am Fuße des Mont
Royal wird begrenzt von der Rue Sherbrooke im Nordwesten, dem
Boulevard Saint-Laurent im Nordosten, der Rue Guy im Südwesten
und der unterirdisch verlaufenden Autoroute 720 im Südosten.
Zentrale Längsachsen sind die Rue Sainte-Catherine (die
bedeutendste Einkaufsstraße der Stadt) und der Boulevard
René-Lévesque. Gemäß städtischer Bauordnung darf kein Gebäude
den 233 Meter hohen Gipfel des Mont Royal überragen. Darüber
hinaus sind Gebäude von mehr als 120 Metern Höhe auf bestimmte
Parzellen beschränkt. Mit diesen Maßnahmen soll erreicht werden,
dass der Hügelzug eine bedeutende Landmarke bleibt.
Eine Besonderheit ist die Ville intérieure, die weit verzweigte
Untergrundstadt. Dabei handelt es sich um ein System von
Ladenpassagen und Fußgängertunneln, das sich über eine Fläche
von zwölf Quadratkilometern erstreckt. Es verbindet zehn
U-Bahn-Stationen und zwei Bahnhöfe mit Hunderten von Läden,
Restaurants und Kinos, mit zahlreichen öffentlichen
Einrichtungen sowie mit 35 % der Wohn- und 80 % der Büroflächen
der Centre-Ville. Fußgänger können sich auf diese Weise vor
allem im strengen Winter vor klimatischen Einflüssen geschützt
in der Innenstadt bewegen. Mit einer Gesamtlänge von 32
Kilometern ist die Ville intérieure das längste Tunnelnetzwerk
dieser Art weltweit.
Bis Ende der 1920er Jahre war die Höhe von Gebäuden auf elf
Stockwerke beschränkt. Die Aufhebung dieser Regelung ermöglichte
den Bau der ersten Wolkenkratzer, wobei Architekten die Baustile
Beaux-Arts und Art déco bevorzugten. Herausragende Bauwerke
jener Epoche sind der Tour de la Banque Royale von 1928 (121 m)
und das Édifice Sun Life von 1931 (122 m). Im Britischen Empire
waren sie zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung das höchste Gebäude bzw.
das Gebäude mit der größten Geschossfläche. Die meisten
Wolkenkratzer entstanden in den 1960er Jahren, wobei damals der
internationale Stil vorherrschte. Zwischen 1962 und 1964 lösten
sich drei Bauten als höchstes Gebäude der Stadt ab: der Tour
CIBC (187 m), der Place Ville-Marie (188 m) und der Tour de la
Bourse (190 m). Nachdem die Hochbautätigkeit in den zwei
folgenden Jahrzehnten merklich abflaute, kam es in den 1990er
Jahren zu einer dritten Phase mit vorwiegend postmodernen
Bauten. 1000 de La Gauchetière (205 m) und 1250 René-Lévesque
(199 m), die zwei höchsten Gebäude Montreals, wurden beide 1992
eröffnet.
Blick auf die
Centre-Ville (Downtown) vom Mont Royal aus
Urbane Freiräume
Der Lac aux Castors im
südlichen Teil des Parc du Mont-Royal
Als Hausberg Montreals ist der Mont Royal ein beliebtes
Ausflugsziel für Einwohner und Touristen. Am Osthang, der dem
Stadtzentrum zugewandt ist, erstreckt sich der Parc du
Mont-Royal. Diese bewaldete Parkanlage mit einer Fläche von 190
Hektar wurde von Frederick Law Olmsted, dem Planer des New
Yorker Central Park, entworfen und 1876 eröffnet. Von zwei
Aussichtsterrassen aus kann die Stadt überblickt werden. Am
südlichen Ende des Parks befindet sich der künstliche See Lac
aux Castors („Bibersee“), am nördlichen Ende das
George-Étienne-Cartier-Monument. Nahe dem Gipfel stehen das
Mont-Royal-Kreuz und der Sendeturm Mont Royal. Zwei ausgedehnte
Friedhöfe liegen auf der Westseite des Mont-Royal, der Friedhof
Notre-Dame-des-Neiges und der Friedhof Mont-Royal.
Der Parc Jean-Drapeau, der den größten Teil der Inseln Île
Sainte-Hélène und Île Notre-Dame umfasst, ist das ehemalige
Ausstellungsgelände der Expo 67. Nur wenige der damaligen Bauten
stehen noch heute, darunter der amerikanische Expo-Pavillon
Biosphère, eine von Richard Buckminster Fuller entworfene
geodätische Kuppel. Eine weitere bedeutende Parkanlage ist der
Parc Maisonneuve im Arrondissement Rosemont–La Petite-Patrie: An
dessen Südrand befindet sich der Botanische Garten Montreal, der
mit über 22.000 verschiedenen Pflanzenarten, 30 Themengärten und
einem Arboretum zu den umfangreichsten Einrichtungen dieser Art
weltweit gehört.
Verschiedene Plätze sind fußgängerfreundlich gestaltet: Der
Place d’Armes mit dem Maisonneuve-Denkmal und der Place
Jacques-Cartier in der Altstadt sowie der Square Victoria, der
Square Dorchester und der Place du Canada in der Centre-Ville.
Sakralbauten
St.-Josephs-Oratorium
Montreal zählt über 600 Sakralbauten verschiedenster
Glaubensrichtungen. Es handelt sich dabei überwiegend um
christliche Kirchen, von denen die große Mehrheit der
römisch-katholischen Konfession dient. Montreal wird häufig
als „Stadt der hundert Kirchtürme“ (Ville aux cent clochers)
bezeichnet. 1881 sagte der amerikanische Schriftsteller Mark
Twain: „Dies ist das erste Mal, dass ich jemals in einer Stadt
war, wo man keinen Ziegel werfen könnte, ohne ein Kirchenfenster
zu zerbrechen“ (This is the first time I was ever in a city
where you couldn’t throw a brick without breaking a church
window).
Vier römisch-katholische Kirchengebäude tragen den Ehrentitel
einer Basilica minor. Das St.-Josephs-Oratorium, an exponierter
Stelle am Südwesthang des Mont Royal gelegen, ist eine
bedeutende Wallfahrtskirche. In den Jahren 1924 bis 1967 erbaut,
wird sie von zwei Millionen Menschen jährlich besucht. Mit einer
Höhe von 97 Metern ist der markante Kuppelbau die größte Kirche
Kanadas. Die Basilika Notre-Dame de Montréal, erbaut von 1823
bis 1843, ist 69 Meter hoch und war bis 1928 das höchste Gebäude
der Stadt. Sitz des römisch-katholischen Erzbistums Montreal ist
die Kathedrale Marie-Reine-du-Monde de Montréal. Sie wurde von
1875 bis 1894 erbaut und ersetzte die Kathedrale Saint-Jacques
de Montréal, die 1852 durch einen Brand zerstört worden war. Die
Basilika Saint-Patrick de Montréal entstand von 1843 bis 1847
als Hauptkirche der Einwohner irischer Herkunft.
Ältestes erhalten gebliebenes Kirchengebäude im Stadtzentrum ist
die Wallfahrtskapelle Notre-Dame-de-Bon-Secours (1771–1773). Der
Sitz des anglikanischen Bistums Montreal ist die von 1857 bis
1860 erbaute Christ Church Cathedral; sie ist zugleich die
bedeutendste protestantische Kirche der Stadt. Vier weitere
Konfessionen verfügen ebenfalls über eine Kathedrale: die
Griechischen Katholiken oder Melkiten (Saint-Sauveur), die
Maroniten (Saint-Maron), die Russisch-Orthodoxen (Saints Pierre
et Paul) und die Ukrainisch-Orthodoxen (Sainte-Sophie).
Weitere Sehenswürdigkeiten
Die Architektur verschiedener
Stadtteile ist von ethnischen Minderheiten geprägt. Am Übergang
zwischen Centre-Ville und Altstadt befindet sich die Chinatown
(Quartier chinois), deren Grenzen von vier Scheintoren (Pailou)
markiert werden. Dieser Bereich war bis in die 1920er Jahre die
bevorzugte Wohngegend der Juden. Danach übernahm das
Arrondissement Outremont diese Rolle; vor allem im nördlichen
und östlichen Teil Outremonts gibt es Synagogen sowie jüdische
Schulen und Geschäfte. Das Zentrum der italienischen
Gemeinschaft ist Petite Italie im Arrondissement Rosemont–La
Petite-Patrie; dort befindet sich auch der Marché Jean-Talon,
ein überdachter Marktplatz.
Panoramaansicht auf Habitat 67
vom Hafen aus
Das Arrondissement Mercier–Hochelaga-Maisonneuve ist Standort
des Olympiaparks mit dem Montrealer Olympiastadion. Es bietet
Platz für 66.000 Zuschauer und ist somit das größte Stadion
Kanadas. Eine architektonische Besonderheit ist der 175 Meter
hohe Stadionturm, der einen Neigungswinkel zwischen 22,5 und 81
Grad aufweist und mit einer Zahnradbahn erklommen werden
kann. Das Habitat 67, ein Wohnkomplex auf einer Halbinsel im
Sankt-Lorenz-Strom, ist ein weiteres Beispiel futuristischer
Architektur. Er besteht aus 354 stufenförmig aufgeschichteten
Betonquadern mit 158 Wohneinheiten. An die
landwirtschaftliche Vergangenheit der Île de Montréal erinnern
zwei Windmühlen, die 1719 erbaute Windmühle Pointe-aux-Trembles
und die Fleming-Windmühle aus dem Jahr 1827.
Bildung
Kunstfakultät der McGill
University
Älteste Universität der Stadt ist die 1821 gegründete
englischsprachige McGill University, die bisher zehn
Nobelpreisträger hervorbrachte. McGill gehört zu den
renommiertesten Universitäten weltweit und ist in verschiedenen
Hochschulrankings regelmäßig auf vorderen Plätzen zu
finden. Die englischsprachige Concordia University entstand
1974, als die Sir George Williams University und das jesuitische
Loyola College säkularisiert wurden und sich zusammenschlossen.
Gelände der Université de
Montréal
Älteste französischsprachige Universität Montreals und mit
55.000 Studenten die zweitgrößte Kanadas ist die Université de
Montréal (UdeM). 1878 als Zweigstelle der in Québec beheimateten
Université Laval gegründet, machte sie sich 1920 selbständig.
Die Säkularisierung der UdeM erfolgte 1967. Ebenfalls
französischsprachig ist die Université du Québec à Montréal (UQAM),
die dem Verbund der Université du Québec angehört. Sie besteht
seit 1969, als die Provinzregierung vier Hochschulen und ein
säkularisiertes Jesuitenkollegium zusammenschloss.
Neben den vier Universitäten gibt es mehrere Hochschulen. Mit
der UdeM verbunden sind die Wirtschaftshochschule École des
hautes études commerciales und die technische Hochschule École
polytechnique de Montréal. Im Verbund mit der Concordia
University ist die John Molson School of Business, im Verbund
mit der UQAM sind unter anderem die Ingenieurhochschule École de
technologie supérieure, die Verwaltungshochschule École
nationale d’administration publique und das Forschungsinstitut
Institut national de la recherche scientifique.
Grande Bibliothèque
Auf der Mittelschulstufe gibt es in Montreal elf Cégeps (Collège
d’enseignement général et professionnel), welche die
Vorbereitung auf die universitäre Bildung und die technische
Berufsschule vereinen. Von diesen sind neun französisch- und
zwei englischsprachig. Hinzu kommen mehrere private
Mittelschulen. Traditionell war das Schulwesen in Québec
konfessionell getrennt. Im Rahmen einer laizistischen
Schulreform erfolgte eine Neuaufteilung nach sprachlichen
Kriterien. Seit 1998 sind in der Verwaltungsregion Montreal fünf
neue Schulbehörden tätig, die für Kindergärten, Grund- und
Sekundarschulen, Erwachsenenbildung und Berufsbildung zuständig
sind. Frankophone Schulbehörden sind die Commission scolaire de
Montréal, die Commission scolaire Marguerite-Bourgeoys und die
Commission scolaire de la Pointe-de-l’Île. Anglophone
Schulbehörden sind das English Montreal School Board und das
Lester B. Pearson School Board. Die Aufsicht erfolgt durch
Schulräte, die von den Einwohnern der betreuten Gebiete gewählt
werden.
Die Bibliothèques publiques de Montréal sind ein Verbund von 43
öffentlichen Bibliotheken in der Verwaltungsregion Montreal.
Größte Bibliothek der Stadt ist die Grande Bibliothèque, die
Haupteinrichtung der Bibliothèque et Archives nationales du
Québec. Die Jewish Public Library besitzt Nordamerikas
umfangreichste Sammlung an Judaica.
Kultur
Biosphère
Montreal ist für seine vielfältige kulturelle Szene bekannt und
gilt als „Kulturhauptstadt Kanadas“. Die Präsenz einer
bedeutenden frankophonen Bevölkerung verleiht der Stadt unter
den nordamerikanischen Metropolen einen besonderen Charakter.
Französische, britische und amerikanische Einflüsse verbinden
sich, zusätzlich bereichert durch kulturelle Einflüsse
verschiedener Einwanderergruppen. Eine weitere Besonderheit
Montreals ist die (für Nordamerika untypische) belebte
Innenstadt. Dies kommt besonders im Sommer mit zahlreichen
Festivals sowie anderen kulturellen und sozialen Veranstaltungen
zum Ausdruck. Als Zentrum des kulturellen Lebens gilt das
Quartier des Spectacles.
Museen
In Montreal gibt es über drei
Dutzend Museen, von denen die meisten dem Interessenverband
Société des directeurs des musées montréalais angehören. Größtes
Museum der Stadt ist das Musée des beaux-arts de Montréal mit
diversen Kunstausstellungen. Auf zeitgenössische Kunst
spezialisiert sind das Musée d’art contemporain de Montréal und
die DHC/ART Foundation for contemporary art. Mit Forschung und
Technik befassen sich das Wissenschaftsmuseum Centre des
sciences de Montréal, das Umweltmuseum Biosphère und der Biodôme
de Montréal im früheren olympischen Radstadion. Das Insectarium
de Montréal ist das größte Insektarium Nordamerikas.
Das McCord-Museum befasst sich mit der Geschichte Kanadas, das
Redpath-Museum mit Naturgeschichte, Ethnologie und Archäologie.
Am einstigen Standort des Fort Ville-Marie steht das Musée
Pointe-à-Callière, ein Museum über die Geschichte und
Archäologie der Stadt Montreal. Weitere stadtgeschichtliche
Ausstellungen bietet das Centre d’histoire de Montréal. Das
Château Ramezay dient als ethnologisches Museum und
Porträtgalerie. In der Fabrikantenvilla Château Dufresne finden
zeitgeschichtliche Ausstellungen statt, das Musée Stewart im
Fort de l’Île Sainte-Hélène ist auf Militärgeschichte
spezialisiert. An die Opfer des Holocausts erinnert das Centre
commémoratif de l’Holocauste à Montréal.
Mehrere Museen befassen sich mit dem Kulturerbe. Das Musée
Marguerite-Bourgeoys erläutert Leben und Wirken der Heiligen
Marguerite Bourgeoys. Im Maison Saint-Gabriel, dem ältesten
erhalten gebliebenen Bauernhaus Montreals, wird die Lebensweise
der frühen französischen Siedler präsentiert. Das Musée des
maîtres et artisans du Québec widmet sich dem Kunsthandwerk, das
Centre canadien d’architecture der Architekturgeschichte, das
Pelzhandelsmuseum Lachine dem nordamerikanischen Pelzhandel.
Das Musée des ondes Emile Berliner bietet einen Einblick in die
Geschichte der Schallplattenindustrie.
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Montreal